Ablauf der Organspende

Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland steht einer Organ- und Gewebespende aufgeschlossen gegenüber und immer mehr unserer Mitmenschen besitzen auch einen Organspendeausweis. Personen, die sich für eine Spende entschieden haben, möchten mehrheitlich Anderen helfen und ihrem Tod einen Sinn geben. Menschen, die sich gegen eine Spende entschieden haben, nehmen häufig an, ungeeignet zu sein oder geben spirituelle und religiöse Gründe an, die einer Organspende entgegenstehen.

2020 hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Rahmen ihrer Kampagne „Organspende – Die Entscheidung zählt!“ in einer bundesweiten Repräsentativbefragung über 4.000 Menschen in Deutschland gefragt, was sie über das Thema Organ- und Gewebespende denken.
Die Ergebnisse der Studie zeigen eindrücklich, dass der Großteil der Befragten zum Thema Organ- und Gewebespende in Deutschland mit 82 Prozent eine sehr positive Einstellung hat.
Acht Prozent der Befragten zeigten sich eher neutral zum Thema und nur neun Prozent stehen der Organspende „eher negativ“ gegenüber.

In der Befragung von 2018 standen 84 Prozent einer Organ- und Gewebespende grundsätzlich eher positiv gegenüber.

 

In Deutschland wird die Organ- und Gewebespende über die Entscheidungslösung geregelt.

Was heißt das nun genau?

Organe dürfen nur entnommen werden, wenn der Spender zu Lebzeiten einer Organentnahme mündlich (gegenüber den Angehörigen) oder schriftlich zugestimmt hat. Eine schriftliche Willensbekundung kann der Spender in Form eines Organspendeausweises abgeben oder auch beispielsweise im entsprechenden Teil einer Patientenverfügung. Zu guter Letzt sind es aber die Angehörigen, die im Sinne des Patienten eine solche Entscheidung treffen dürfen, wenn dieser im Vorfeld keinen rechtlich bindenden schriftlichen letzten Willen festgelegt hat.
Der Organspendeausweis ist lediglich ein Hinweisgeber für betreuendes medizinisches Personal und auch für die Angehörigen und kein rechtsgültiges Dokument.

Ist der Patient gerichtlich betreut, ist es Aufgabe des Patientenvertreters, dem Gesamtwillen des Patienten Ausdruck zu verschaffen. Auch dann, wenn nächste Angehörige und Patientenvertreter unterschiedliche Personen sind. Bei Entscheidungsschwierigkeiten kann an dieser Stelle eine klinische Ethikberatung sehr sinnvoll und den entscheidenden Personen eine Unterstützung sein. Im Zweifelsfall, falls beide Seiten zu keiner gemeinsamen Entscheidung kommen, trifft das Betreuungsgericht die finale Entscheidung (§1904 BGB).

Am 16. Januar 2020 hat der Deutsche Bundestag den Gesetzesentwurf  „Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ beschlossen. Das Gesetz sieht vor, dass die Bereitschaft, Organe nach dem eigenen Tod zu spenden regelmäßiger und direkter abgefragt werden soll.

Auch soll es zukünftig möglich sein eine Erklärung zur Organspende in einem Online-Register und den Ausweisstellen abzugeben. Außerdem sollen Hausärzte die Patienten ermuntern, eine Entscheidung zu dokumentieren. Das Gesetz wird zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft treten, voraussichtlich noch im Jahr 2022.

 

Die Todesfeststellung ist feste Voraussetzung für eine Organspende.

Wie sicherlich uns allen bewusst ist, ist das primäre Ziel aller medizinischen Maßnahmen im Falle eines Unfalls oder einer schweren Erkrankung, das Leben des Patienten zu retten. Darum bemühen sich alle NotärztInnen, Rettungsteams und IntensivmedizinerInnen.
Manchmal kann der Patient aber trotz aller Bemühungen nicht mehr gerettet werden, weil beispielsweise die Krankheit oder die Unfallfolgen schon zu weit fortgeschritten sind. Ein Beispiel dafür ist ganz klassisch die massive Hirnschädigung, wie sie z.B. durch eine schwere Kopfverletzung oder eine Hirnblutung entstehen kann. Diese führt schnell zum Tod des Patienten.

Die Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms erfolgt nach den Richtlinien der Bundesärztekammer durch zwei dafür qualifizierte Ärzte unabhängig voneinander. Diese Ärzte dürfen weder an der Entnahme noch an der Übertragung der Organe des Organspenders beteiligt sein, noch der Weisung eines beteiligten Arztes unterstehen.

Da es gerade um diesen Aspekt, auch medial getriggert, immer wieder wilde Spekulationen und Verschwörungsmythen gibt, möchte ich euch an dieser Stelle halbwegs leicht verständlich erklären, welche Untersuchungen notwendig sind, um einen nicht mehr behebbaren Hirnfunktionsausfall zu diagnostizieren.

 

Wie wird diagnostiziert?

Die Diagnose des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (sog. „Hirntoddiagnostik“) stützt sich auf die von der Bundesärztekammer festgelegten Richtlinien. Die Beachtung dieser Richtlinien ist nach § 16 Abs. 1 Ziffer 1 des Transplantationsgesetzes zwingend vorgeschrieben.

Die Krankenbeobachtung, -untersuchung und -dokumentation der Hirnfunktion gehören zur täglichen ärztlichen und pflegerischen Routine in der Behandlung von beatmeten Patienten. Vor allem nach festgestellter akuter Hirnschädigung.

Die klinischen Zeichen sind hier natürlich vereinfacht dargestellt und unterliegen sehr strengen Grenzwerten und Regularien. Apparative Untersuchungen, wie beispielsweise der Nachweis eines isoelektrischen EEGs oder eines zerebralen Zirkulationsstillstandes zur weiteren Abklärung sind ergänzend möglich und unter bestimmten Voraussetzungen sogar zwingend notwendig.

Bei reifen Neugeborenen und bei Kindern ab dem Lebensalter von 29 Tagen bis zum vollendeten 2. Lebensjahr müssen zum Nachweis der Unumkehrbarkeit des Hirnfunktionsausfalls 2 klinische Untersuchungen mit besonders vorgegebener Beobachtungszeit und zusätzlich zu jeder klinischen Untersuchung eine ergänzende apparative Untersuchung (z.B. der Nachweis des isoelektrischen EEGs oder des zerebralen Zirkulationsstillstandes) erfolgen.

Der Vollständigkeit halber möchte ich hier noch 3 weitere Untersuchungen entsprechend der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung (DGKN) nennen, die ergänzend zu allem vorherigen eingesetzt werden, deren detaillierte Erklärung aber den Rahmen sprengen würde:

  • elektrophysiologische (Elektroenzephalografie [EEG]
  • frühe akustisch evozierte Potenziale [FAEP] oder somatosensorisch evozierte Potenziale [SEP]) oder
  • neurovaskuläre Dopplersonografie und Duplexsonografie

 

Was ist noch wichtig?

Zur ärztlichen Beurteilung potenzieller Organspender ist der Transplantationsbeauftragte hinzuzuziehen. Die Transplantationsbeauftragten sind in den Kliniken die wichtigsten Ansprechpartner für die Koordinatoren der DSO. Sie tragen dafür Sorge, dass die Entnahmekrankenhäuser ihrer Pflicht zur Meldung möglicher Organspender an die DSO nachkommen. Außerdem gehört es zu ihren Aufgaben, Angehörige von Spendern in angemessener Weise zu begleiten.
Sie kümmern sich  auch darum, dass die Zuständigkeiten und Handlungsabläufe zur Erfüllung des Transplantationsgesetzes festgelegt werden. Zudem sorgen sie dafür, dass sowohl ärztliches wie pflegerisches Personal im Entnahmekrankenhaus über die Bedeutung und den Prozess der Organspende regelmäßig informiert wird.
Kommen Patienten als Organspender in Betracht, kann die Koordinierungsstelle auch bereits vor der Feststellung des irreversiblen Hirntods durch den Transplantationsbeauftragten informiert werden.

 

Ein Punkt steht dabei über allen:

Alle Therapieentscheidungen erfolgen immer zum Wohle des Patienten und respektieren seinen Willen. Jede intensivmedizinische Therapie hat zum Ziel, die Organsysteme in ihren komplexen Wechselwirkungen zu stabilisieren und den dauerhaften Ausfall einzelner Organsysteme zu verhindern.
Ärztliches Personal in der Intensivmedizin sowie der Transplantationsbeauftragte sollten spätestens bei unmittelbar bevorstehendem oder vermutetem unumkehrbarem Hirnfunktionsausfall bereits erste orientierende Gespräche mit den Patientenvertretern über potenzielle Therapieoptionen führen. Diese wären:

  • Fortsetzung der intensivmedizinischen Therapie zur
    Aufrechterhaltung der Organfunktionen bis zur Feststellung des unumkehrbaren Hirnfunktionsausfalls und weiterer Klärung der Option einer Organspende (im Falle eines Herz-Kreislaufstillstandes auch die Reanimation)
  • Therapiebegrenzung mit Symptomlinderung und Sterbebegleitung im Sinne der Palliativmedizin

Es erfordert ein hohes Maß an ärztlicher Erfahrung, fachlicher Expertise, kommunikativen Fähigkeiten, Empathie und Rücksichtnahme, den geeigneten Zeitpunkt und Inhalt für diese
Gespräche vor und nach Feststellung des unumkehrbaren Hirnfunktionsausfalls zu finden.
Idealerweise führt das Gespräch der behandelnde Arzt, eventuell mit Unterstützung durch den Transplantationsbeauftragten. Die Koordinierungsstelle der DSO kann auch unterstützend hinzugezogen werden.

 

Nun ist es soweit.

Mit der Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des
Kleinhirns und des Hirnstamms (irreversibler Hirnfunktionsausfall) ist nach der Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG naturwissenschaftlich-medizinisch der Tod des Menschen festgestellt.

Nun ist Eile und eine erstklassige Zusammenarbeit das Gebot der Stunde. Um dem Patientenwillen zur Organspende zu entsprechen, muss die Durchführung der Organentnahme mit hoher Dringlichkeit erfolgen. Koordinierungsstelle, Entnahmekrankenhaus und Entnahmeteams müssen sich exakt miteinander abstimmen. Sind die organisatorischen Voraussetzungen für die Entnahme geschaffen und das Entnahmeteam in der jeweiligen Klinik eingetroffen, ist die Organentnahme vordringlich und darf nicht durch elektive Operationen verzögert werden.

 

Die Entnahme

Die Entnahme von Organen aus dem Körper eines Verstorbenen findet wie eine Operation an einem lebenden Menschen statt. Während der Organentnahme ist die Durchführung einer Narkose
zur Ausschaltung des Bewusstseins und der Schmerzreaktionen überflüssig, weil das primäre Zielorgan – das Gehirn und die betroffenen zentralen Rezeptoren – nachgewiesenermaßen irreversibel ausgefallen
sind. Die peripheren Rezeptoren im Rückenmark sind in ihrer Funktion aber nicht beeinträchtigt und können zu Spontanbewegungen und zum Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz führen. Deshalb wird der Organspender durch entsprechende Medikamente (z.B. Opiate) behandelt. Dadurch wird erreicht, dass die chirurgische Intervention optimal stattfinden kann, weil spinale Reflexe und ein Blutdruck- und Herzfrequenzanstieg vermieden werden kann . Entnommen werden dem Körper des Patienten nur solche Organe, die auch explizit dazu freigegeben worden sind. Ebenfalls wird geprüft, ob die Organe zur Transplantation geeignet sind und kein Risiko für den Empfänger besteht.

Die Hinterbliebenen können sich im Anschluss von dem Verstorbenen verabschieden.

 

Die ist OP vorbei – Was passiert nun?

Nachdem ein Organ entnommen wurde, muss die Zeit bis zur Transplantation möglichst kurz gehalten werden. Die entnommenen Organe werden für den Transport zu den Empfängern in speziellen Transportboxen gekühlt aufbewahrt. Die Übertragung der Organe erfolgt nur in dafür zugelassenen Transplantationszentren.

Alle Patienten, die ein Organ benötigen und auch körperlich in der Situation sind, transplantiert werden zu können, werden von den deutschen Transplantationszentren in Wartelisten aufgenommen und an die Stiftung Eurotransplant weitergegeben, die die Vermittlung von Organen über verschiedene Länder hinweg übernimmt. Eurotransplant führt für jedes Organ gemeinsame Wartelisten seiner Mitgliedsländer (Niederlande, Belgien, Luxemburg, Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn und Deutschland).

Innerhalb von Deutschland bildet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) die Koordinierungsstelle für Organspende und Transplantation. Die Krankenhäuser melden mögliche Organspender an die DSO, die wiederum sicherstellt, dass alle notwendigen medizinischen und organisatorischen Schritte für den Prozess von der Organentnahme bis zur Transplantation ablaufen.

Die Organspende erfolgt anonym. Der Empfänger oder die Empfängerin eines Organs erfährt den Namen des Spenders nicht. Ebenso wenig wissen die Angehörigen des Spenders, wer die Organe erhalten hat. Das Transplantationszentrum teilt den Angehörigen aber auf Wunsch mit, ob die Transplantation erfolgreich verlaufen ist.

 

Dankesbriefe von Transplantierten

Es gibt aber die Möglichkeit für die Empfänger von Organen Danke zu sagen und einen Brief zu schreiben. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland erlauben seit dem 1. April 2019 wieder die Weiterleitung anonymer Briefe zwischen dem Organempfänger und der Angehörigenfamilie des Spenders.

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