Gesunde Alternativen zur medikamentösen Schmerzlinderung

Schmerzen. Ein kleines Wort, das für viele Menschen aber ein unlösbares Problem darstellt und die Lebensqualität maximal beeinträchtigen kann. Braucht es immer starke Medikamente zur Schmerzbehandlung? Oder gibt es auch andere Möglichkeiten, unser Schmerzempfinden und deren Ursache zu beeinflussen?

Es klingt zu einfach, um wahr zu sein: Besonders chronische Schmerzpatienten können durch eine gesündere Lebensweise ihren Alltag wieder mehr genießen. Betroffene profitieren in hohem Maße davon, auf eine ausgewogene Ernährung, guten Schlaf und ausreichend Bewegung zu achten.

Wie sehr Schmerzen das Leben beeinträchtigen und wie stark sie empfunden werden, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Während negative Emotionen und Stress Schmerzen verstärken, können ein gesunder Lebensstil und positive Gefühle Schmerzen verringern.

 

Aber was genau heißt denn in diesem Zusammenhang „gesunder Lebensstil“?

 

Die Ernährungstherapie hat in letzter Zeit immer mehr an Bedeutung im Rahmen von Schmerzerkrankungen gewonnen und wird auch in der Rheumatologie mehr beachtet. Die Wirkung von Nährstoffen und der Ernährungsumstellung ist in Studien belegt. Um den Effekt von Ernährung zu verstehen ist es sinnvoll sich mehrere Stoffwechselvorgänge im Körper genauer anzusehen.

 

Die Stille Entzündung (silent inflammation)

Als ein wichtiger Aspekt bei Schmerzerkrankungen wurde in letzter Zeit die „Stille Entzündung“ erkannt. Hierunter versteht man eine im Körper ablaufende Entzündung, die zwar im Blut anhand bestimmter Parameter messbar ist, aber nicht immer zu den entzündungs-typischen Beschwerden wie Rötung, Schwellung, Überwärmung und Schmerz führt. Man beschreibt diese Entzündung als „unterschwellig“.  Fettgewebe gibt solche entzündlichen Botenstoffe zum Beispiel ins Blut ab.

 

Oxidativer Stress

Von oxidativem Stress spricht man, wenn das Gleichgewicht zwischen freien Radikalen (Prooxidantien) und Radikalfängern (Antioxidantien) im Körper aus den Fugen geraten ist. Freie Radikale an sich sind nicht grundsätzlich schlecht. Sie werden von Natur aus bei vielen Stoffwechselprozessen (z. B. der Zellatmung) gebildet, ohne im Normalfall zu einem Problem zu werden, und sind zum Beispiel bei der Abwehr von Krankheitserregern sehr dienlich.

Freie Radikale erzeugen jedoch Stress, wenn ihr Gegengewicht – das antioxidatives Schutznetzwerk – es nicht mehr schafft, diese reaktionsfreudigen Teilchen in Schach zu halten, und Zellen sowie Stoffwechselvorgänge dadurch unter oxidativen Beschuss geraten und es über verschiedene Stoffwechselvorgänge zu Schäden an Zellwänden und anderen Körperstrukturen kommt.

 

Blutzucker und NF-κB

Einfache Kohlenhydrate wie Glucose und Fruktose führen zu einem erhöhten Blutzuckerspiegel. Nach einer Mahlzeit ist das normal, langanhaltend hohe Mengen Zucker im Blut sind hingegen ungünstig und regen Entzündungsprozesse an. Dem körpereigenen Botenstoff NF-κB kommt besondere Bedeutung zuteil. Er wird durch das Essen im Allgemeinen aktiviert – aber besonders der erhöhte Blutzuckerspiegel führt zu einer verstärkten Bildung von NF-κB. NF-κB ist von großer Bedeutung für die Regulation der Immunantwort, der Zellproliferation und des Zelltodes. Die Aktivierung von NF-κB gilt als kritisch für die Entstehung von Entzündungen.
Praktisch bedeutet dies: Ein hoher Konsum von einfachen Kohlenhydraten begünstigt die Entwicklung der oben genannten stillen Entzündung.

 

Die Darmflora

Die Darmflora wird von Fachleuten als Darmmikrobiom bezeichnet. Mit diesen Begriffen sind sämtliche Mikroorganismen (Mikrobiota) und deren genetische Information (Mikrobiom) gemeint, die im Darm, vor allem im Dickdarm, des Menschen vorkommen. Das sind vor allem Bakterien, aber auch Pilze und meist harmlose Viren.

Es gibt schätzungsweise über 1.000 verschiedene Bakterienarten in der Darmflora. Dabei ist die Zusammensetzung der Bakterien im Darm bei jedem Menschen sehr individuell.[1]https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/organe/eine-intakte-darmflora-unverzichtbar-fuer-die-gesundheit/
Ohne die Darmflora wäre eine normale Verdauung nicht möglich. Bakterien tragen beispielsweise zur Zersetzung der Nahrungsbestandteile bei. Das ist unter anderem wichtig, damit die Darmzellen mit Energie versorgt werden und die Barrierefunktion aufrechterhalten wird. Die Darmbarriere ist wichtig, damit schädliche Stoffe wieder ausgeschieden werden. Es gibt Hinweise, dass Bakterien sogar das Sättigungsgefühl beeinflussen können.

Die Darmflora steht in einem engen Zusammenhang mit der Arbeit des Immunsystems. Der größte Teil der dortigen Bakterien ist für den Körper sehr nützlich. Sie produzieren Stoffe, die das Wachstum schädlicher Bakterien hemmen. Außerdem konkurrieren sie mit Krankheitskeimen um Nahrung und entziehen ihnen so die Grundlage, um im Darm zu gedeihen.

In der Folge verringert eine funktionierende Darmflora das Risiko für eine Infektion mit schädlichen Bakterien im Darm. Gleichzeitig regen die Bakterien im Darm das Immunsystem dazu an, Antikörper zu bilden, die vor krankheitserregenden Bakterien schützen. Ändert sich die Zusammensetzung der Darmflora, so können auch neue Antikörper gebildet werden. Ebenso spielen Bakterien eine Rolle dabei, Nahrungsmittelallergien zu verhindern, da ihre Stoffwechselprodukte eine entsprechende Toleranz der Immunzellen fördern.

Die Ernährung wirkt nun unter anderem über diese und auf diese Strukturen und Vorgänge. Hierüber kann mittels Ernährung auf Schmerzerkrankungen eingewirkt werden, und zwar sowohl auf die entzündlichen Schmerzerkrankungen – wie der bei der Gichterkrankung, der entzündlichen Gelenkerkrankung (z. B. die rheumatoide Arthritis), den Kollagenosen (Entzündungen im Bindegewebe) – wie auf Verschleiß (Arthrose) und anderen Schmerzerkrankungen.

 

Die Vollwert-Ernährung

 

Schmerzreduzierende Lebensmittelauswahl

 

Da Schmerzen nahezu immer durch Entzündungsprozesse hervorgerufen werden, ist es wichtig bei der Ernährung auf eine Form der Ernährung zurückzugreifen, die Entzündungsprozesse zumindest nicht noch befördert und im besten Fall sogar hemmt. Mit den Lebensmitteln, wie sie z. B. im Rahmen einer mediterranen (Länder im Mittelmeerraum) Vollwert-Ernährung verwendet werden, können Entzündungsprozesse eher vermieden bzw. gehemmt werden, denn diese ist überwiegend vegetarisch. Das bedeutet konkret: Gemüse, Obst, pflanzliche Öle, Nüsse, Fisch und bestimmte Kohlenhydratlieferanten, die hier hauptsächlich gegessen werden, haben antientzündliche Effekte.

Die Ballaststoffe aus Gemüse und Obst haben eine wichtige Bedeutung für eine schmerzreduzierende Ernährungsweise, denn viele Ballaststoffe sind direkte Nährstoffe für die Dickdarmbakterien. Und die Dickdarmbakterien liefern Nährstoffe (die Fettsäuren Butyrat und Propionat) für die Darmzellen. Diese Nährstoffe wirken sich wiederum im günstigen Sinne auf die Aktivität von NF-κB in den Darmschleimhautzellen aus. Bei Patienten mit chronischen Darmentzündungen konnte durch den vermehrten Konsum von Gemüse und Obst eine verminderte Aktivität dieses entzündungsfördernden Proteins in den Darmzellen beobachtet werden.[2]https://www.schmerzgesellschaft.de/patienteninformationen/ergaenzende-verfahren/schmerz-und-ernaehrung

Ein wichtiger Pfeiler dieser Ernährungsweise ist auch, dass komplexe Kohlenhydrate aus Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten schnell aufgenommenen Kohlenhydraten aus Weißmehl und vorgezogen werden, bzw. auf schnelle Kohlenhydrate weitgehend verzichtet werden sollte. Grund dafür ist der höhere Ballaststoffanteil in komplexen Kohlenhydraten, die auch in Gemüse, Obst, Nüssen und Ölsaaten vorkommen, denn dieser sorgt dafür, dass der Blutzuckerspiegel nicht so schnell ansteigt und damit auch Entzündungsprozesse vermieden werden.
In der Ernährung kommt neben den Ballaststoffen und den Kohlenhydraten einer weiteren Gruppe besondere Bedeutung zu: den sekundären Pflanzenstoffen.

 

Beispiele für wichtige Sekundäre Pflanzenstoffe

Die sekundären Pflanzenstoffe sind die Farb-, Duft-, Aroma- und Bitterstoffe, die im Gemüse und Obst, aber auch Nüssen und Ölsaaten, kaltgepressten Pflanzenölen und Kräutern vorkommen.

Auf die Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind wir in einem anderen Blog-Artikel schon einmal detailliert eingegangen: Diät oder gesunde Ernährung.

 

 

Fleischkonsum reduzieren

Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen hat sich eine eher fleischarme, am besten sogar eine vegetarische Ernährung, mit der zusätzlichen Verwendung von Omega-3-Fettsäure-reichem Fisch (Makrele, Hering, Wildlachs) bewährt. Die Omega-3-Fettsäuren weisen eine entzündungshemmende Wirkung auf. Aus diesem Grund sollten auch eher Lein-, Walnuss- und Rapsöl verwendet werden. Öle und Fette mit einem hohen Omega-6-Fettsäure-Anteil sollten gemieden werden.

 

Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme 

Wusstest du, dass ein Flüssigkeitsmangel im Körper die Schmerzempfindlichkeit erhöhen kann? Der genaue Mechanismus, warum das so ist, ist jedoch noch nicht abschießend geklärt worden. Es wird aber angenommen, dass ein Zusammenhang mit einer erhöhten Cortisol-Konzentration (Hormon der Nebennierenrinde) im Blut bei gleichzeitigem Flüssigkeitsmangel besteht. Diese höhere Konzentration führt dann zu einer gesteigerten Schmerzwahrnehmung. Bei Kopfschmerzen hat sich eine vermehrte Flüssigkeitsaufnahme als sehr hilfreich gezeigt, sodass dann unter Umständen weniger Schmerzmittel benötigt werden und Kopfschmerzattacken seltener auftreten.
Der nötige Flüssigkeitsbedarf des Körpers sollte idealerweise mit Mineralwasser, Leitungswasser und ungesüßten Kräuter- bzw. Früchtetees gedeckt werden. Die Trinkempfehlung der DGE liegt bei rund 1,5 Liter täglich, jedoch sollte die Zufuhr gerade an sehr warmen oder anstrengenden Tagen deutlich höher liegen.

 

Normales Körpergewicht

Ein normales Körpergewicht hat ebenfalls einen positiven Effekt auf Schmerzen, nicht alleine das höhere Gewicht, das auf Gelenke und Knochen einen stärkeren Druck ausübt, ist ein Faktor. Generell setzt Fettgewebe entzündungsfördernde Substanzen, wie Leptin und Cytokine frei. Diese unterschwelligen Entzündungen greifen nach und nach die Zellmembran und das Erbgut an. Eine Gewichtsreduzierung, insbesondere der Fettmasse, führt dazu, dass von beiden Substanzen weniger freigesetzt werden. Ein gesundes Körpergewicht ist damit ein guter Garant für weniger Schmerzen.

 

Fasten

Als Einstieg in die mediterrane Vollwert-Ernährung hat sich das Fasten bewährt. Manche Rheumatiker, Patienten mit Fibromyalgie und Migränepatienten erleben bereits während der Fastenzeit eine Verringerung der Schmerzen. Diese schmerzstillende Wirkung des Fastens kann erfahrungsgemäß mindestens ein halbes Jahr anhalten. Während des Fastens kann überschüssiges Bauchfett reduziert werden und damit verringern sich auch die Ausschüttung entzündungsfördernden Botenstoffe.
Das Protein NF-κB, das bei Nahrungsaufnahme immer eine Entzündungskaskade auslöst, wird beim Fasten nicht gebildet. Der Effekt, dass weniger entzündungsfördernde Botenstoffe entstehen und der zweite Effekt im Fasten, dass mehr Serotonin verfügbar ist, führt sowohl zu einer stimmungsaufhellenden und Appetit vermindernden Stoffwechsellage, was wiederum zu einer Reduzierung der Schmerzempfindlichkeit führt. Der sogenannte Reinigungsprozess des Fastens zeigt sich auch deutlich an der gesteigerten Autophagie. Autophagie ist ein Selbstverdauungsgramm unserer Körperzellen, bei dem überflüssige und störende Bestandteile (defekte, deformierte Proteine und andere funktionsunfähige Zellbestandteile) während des Fastens abgebaut werden. Das alles kann zu einer Verbesserung von schmerzhaften Grunderkrankungen, wie Rheuma und Arthrose beitragen.[3]https://www.schmerzgesellschaft.de/patienteninformationen/ergaenzende-verfahren/schmerz-und-ernaehrung

Die Länge der Fastenzeit sollte mit dem behandelnden Arzt abgestimmt und von ihm begleitet werden. Das Heilfasten haben wir in diesem Beitrag schon einmal genau erklärt: Welche Diäten gibt es?

 

Schlafhygiene

Gerade diejenigen, die unter chronischem Schmerz leiden, haben häufig Ein‑ und Durchschlafprobleme, die die Schmerzen und das Schmerzempfinden verstärken. Besonders wichtig für einen gesunden Schlaf ist neben einer ausreichenden Schlafdauer vor allem die Schlafqualität: Gerade die Tiefschlaf‑ und REM-Phasen sind für die Erholung des Organismus von entscheidender Bedeutung. Diese sind bei chronischen Schmerzpatienten jedoch häufig gestört. Darüber hinaus gibt es Forschungen, die darauf hinweisen, dass nicht nur Schmerzen zu Schlafproblemen führen, sondern dass umgekehrt auch Schlafprobleme die Entstehung chronischer Schmerzen begünstigen.[4]https://www.schmerzmedizin.berlin/gesundes-leben-was-kann-ich-tun.html#:~:text=Reduzieren%20Sie%20tierische%20Lebensmittel%20wie,nicht%20in%20Massen%20gegessen%20werden.

 

Bewegung

Wenn Bewegung Schmerzen auslöst oder verstärkt, vermeidet man diese meistens. Bei akutem Schmerz ist das oft auch sinnvoll, da in diesen Fällen das Ruhigstellen die Heilung begünstigt. Bei chronischem Schmerz verschlimmert Schonung den Schmerz hingegen noch. Hier hilft es regelmäßig aktiv zu sein und sich zu bewegen, denn das kann das Schmerzempfinden verringern. Sport und Bewegung sind darüber hinaus besonders bei Übergewicht sinnvoll, um einige zusätzliche Kilos zu verlieren: So wird der Bewegungsapparat entlastet, und Schmerzen verringern sich.

Dabei muss nicht gleich von 0 auf 100 gestartet werden. Bereits regelmäßiges Spazierengehen ist besser als gar keine Bewegung! Bevor eine neue sportliche Betätigung begonnen wird, sollten mit dem behandelnden Arzt Rücksprache gehalten werden.

 

Welche Möglichkeiten gibt es noch Schmerzen zu verringern?

 

Heilpflanzen und Heilkräuter werden seit Jahrtausenden von Menschen bei Entzündungen, Schmerzen des Bewegungsapparates und inneren Beschwerden angewandt. So gehören Heilpflanzen wie Brennnessel, Heublumen, Salbei, Rosmarin, Gewürznelken und viele andere Pflanzen zu altbekannten Hausmitteln.

Der größte Vorteil von pflanzlichen Arzneimitteln ist, dass die Wahrscheinlichkeit schwerer Nebenwirkungen oder gesundheitlicher Schäden bei der Anwendung von pflanzlichen Mitteln wie Salben, Tinkturen, Extrakten oder Tabletten deutlich geringer ist, als bei herkömmlichen Pharmazeutika. Dennoch besteht auch hier insbesondere bei der Anwendung von starken Auszügen von Heilkräutern und ätherischen Ölen die Gefahr von allergischen Reaktionen.

Ein paar Heilpflanzen, deren Anwendungsbereiche und deren Wirkung haben wir euch hier zusammengefasst[5]https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/schmerzen/pflanzliche-schmerzmittel.html:

 

Pflanzliche Schmerzmittel A - K

 

Pflanzliche Schmerzmittel P-W

Quellenangaben

Quellenangaben
1 https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/organe/eine-intakte-darmflora-unverzichtbar-fuer-die-gesundheit/
2, 3 https://www.schmerzgesellschaft.de/patienteninformationen/ergaenzende-verfahren/schmerz-und-ernaehrung
4 https://www.schmerzmedizin.berlin/gesundes-leben-was-kann-ich-tun.html#:~:text=Reduzieren%20Sie%20tierische%20Lebensmittel%20wie,nicht%20in%20Massen%20gegessen%20werden.
5 https://www.internisten-im-netz.de/krankheiten/schmerzen/pflanzliche-schmerzmittel.html
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