Im Interview mit 3 Kollegen der Gesundheits- und Krankenpflege

Ich liebe es ja sehr mit Kollegen in den Austausch zu gehen, mir verschiedene Perspektiven anzuhören und zu erleben, welchen Lebensweg andere Menschen gegangen sind und wie sie in die Pflege gefunden haben. Mit Christopher, Caroline und Ilkin, ihres Zeichens Gesundheits- und Krankenpfleger:Innen an verschiedenen Standorten in Deutschland, durfte ich mich über genau diese Dinge austauschen

 

Stellt euch unseren Lesern doch einmal vor.

 

Wer seid ihr? Warum habt ihr euch für den Pflegeberuf entschieden und wie lange seid ihr schon im Beruf tätig?

 

Ilkin:
Guten Tag, mein Name ist Ilkin Isayev. Ich bin 23 Jahre jung und komme aus Düren in Nordrhein-Westfalen. Ich bin Papa eines großartigen 10-Monate alten Sohnes, bin verheiratet und begeistere mich in meiner Freizeit fürs Schrauben an Autos und fürs Wrestling. In der Pflege arbeite ich seit 2018. Mich hat das Krankheitserleben meines Opas geprägt, der lange Zeit stationär behandelt werden musste. Ich habe in dieser Zeit gesehen, was Pflegekräfte leisten und wie hoch die Belastung in den Kliniken ist und so habe ich mich für diesen Beruf entschieden.

Christopher:
Hi, ich bin Christopher Roock, 33 Jahre alt und habe mit meiner Ehefrau einen 5-jährigen Sohn und ab September erwarten wir ein zweites Kind.
Ich habe die Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger mit 17 Jahren begonnen und bin seitdem ununterbrochen in der Pflege tätig.
Anfangs bin ich eher ideenlos durch drei Praktika gegangen und habe mich dann für die Pflege entschieden, weil sowohl Onkel als auch Tante im selben Krankenhaus als Pflegefachkraft gearbeitet haben. Es schien mir damals die einfachste Lösung als Jugendlicher ohne Orientierung zu sein, sich dort zu bewerben.
Mit der Zeit bin ich in diesen Beruf hineingewachsen und habe Gefallen daran gefunden. Die ersten 10 Jahre habe ich, mit einem Jahr Unterbrechung im Pflegeheim, in der ambulanten Pflege gearbeitet. Danach bin ich über eine Leasingfirma in den stationären Bereich gegangen.

Caroline:
Ich bin Caroline van der Ploeg, geboren in 1968 in den Niederlanden. Ich habe nach meiner Schule eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau gemacht. In 1988 bin ich nach Deutschland gezogen. Ich habe einige Jahre im Einzelhandel gearbeitet, bis es mir zu langweilig wurde. Jobwechsel aufgrund von Langeweile ziehen sich wie ein roter Faden durch mein Leben. 1993 habe ich eine neue Ausbildung zur Krankenschwester im Bethanien Krankenhaus in Moers angefangen. 1996 habe ich mein Examen gemacht und habe dort bis 2001 auf einer Station für operative Gynäkologie gearbeitet, danach bis 2006 im Viecurie in Venlo in den Niederlanden auf der Chirurgie und Intermediate Care. Von 2006 bis 2018 war ich Tauchlehrerin in Ägypten. Seit 2018 bin ich wieder in der Krankenpflege in Deutschland tätig.

 

Wart ihr mit eurer Ausbildungssituation zufrieden? Was waren eure persönlichen Ausbildungshighlights?

 

Ikin: Ja, ich war sogar sehr zufrieden mit meiner Ausbildungssituation. Ich hatte ganz viele, aber eine davon war eine Station für einen Tag zu leiten und den Stationsalltag zu organisieren.

Christopher:
Meine Ausbildung war damals, locker gesagt, “traditionell” geprägt. In dem eher ländlichen, aber gut ausgestatteten Krankenhaus war ein stehender Schüler ein schlechter Schüler und die Einbindung in spezielle Behandlungsmaßnahmen oder pflegerische Tätigkeiten fiel eher selten aus. Ohne selbst zu fragen, und auch das war kein Erfolgsgarant, erhielt man keine sehr ausführlichen Erklärungen oder Einblicke. Eine der Sachen die ich erwähnenswert finde ist, dass ich nicht den Schüler-/ Einarbeitungsordner erhalten habe, weil das nur die Faulheit der Schüler unterstützen würde, um nicht selbst zu lernen. Dementsprechend sind die Highlights in der Ausbildung eher rar gesät. Am besten fand ich wohl, dass ich zu einem Kaiserschnitt in den OP durfte und dort das Neugeborene mitversorgt habe. Das war eine ganz neue Erfahrung in Sachen Handlungsablauf und erforderte ein ganz besonderes Maß an Empathie als im Stationsalltag, dass mir dieser erste Eindruck lange in Erinnerung bleiben wird.

Caroline:
Ja war ich total. Das erste Mal subkutan spritzen und die erste Ganzkörperwaschung bzw. ganzheitliche Versorgung in Bett waren meine persönlichen Highlights. Daran erinnere ich mich heute noch.

 

Was macht für euch eine gute Pflegefachkraft aus und wie wird man diese?

 

Ikin: Das ist ein vielfältiges Thema für mich. Das Hauptziel sollte immer die Zufriedenheit des Patienten durch fachliches Wissen sein. Zum anderen muss auch der Umgang und die Empathie stimmen.

Christopher:
Abgesehen von den üblichen Anforderungen wie Schnelligkeit, Anpassungsfähigkeit und all den anderen effizienz-basierten Dingen, ist wohl eine der wichtigsten Eigenschaften die Kommunikation. Sowohl untereinander, als auch mit Laien. Meiner Erfahrung nach, sind viele negative Erfahrungen, die Patienten und Angehörige im Bereich der Pflege erleben, durch mangelhafte Kommunikation entstanden oder werden dadurch erst als negativ wahrgenommen.
Es wird zwar in der Ausbildung über Kommunikation mit verschiedenen Personengruppen in verschiedenen Situationen gesprochen, aber meiner Meinung nach finden sich im Alltag dann dafür nicht genug Vorbilder bzw. Gelegenheiten, dieses Wissen auch anzuwenden. Daher ist Weiterbildung und permanentes und eigenständiges Hinterfragen seiner eigenen Arbeit eine der Möglichkeiten eine effiziente, aber auch empathische Pflegefachkraft zu werden.

Caroline:
Eine gute Pflegefachkraft sollte respektvoll, geduldig und freundlich mit den Patienten umgehen, auch wenn es mal hektisch wird. Dabei setzt sie stets ihr Fachwissen ein.

 

Wie wichtig sind euch Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten?

 

Ikin:
Ganz wichtig, da heutzutage ganz viele und immer wieder neue Änderungen in unserem Beruf passieren.

Christopher:
Sehr wichtig. Meist kann man nur so Fehler in der Pflege vorbeugen, die sich auf verschiedensten Wegen überall verbreitet und festgesetzt haben.

Caroline:
Die sind sehr wichtig, um stets auf dem neuesten Stand zu sein und zu bleiben. Ich habe zum Beispiel die Fachweiterbildung für Intermediate Care (IMC) in den Niederlanden absolviert. Zusätzlich habe die Weiterbildung zur Leitung einer Pflegeinheit im Krankenhaus.

 

Welcher Fachbereich im Krankenhaus liegt euch am meisten?

 

Ikin:
Mir liegen sowohl Chirurgie als auch Pneumologie am meisten.

Christopher:
Wenn es sowohl um das Interesse an der Fachrichtung, als auch um die spezifische Handlungsabläufe auf den Stationen geht, würde ich mich wohl für die neurologische Frührehabilitation entscheiden. Auch wenn es hier viele Pateinten gibt, bei denen eine Besserung des Allgemeinzustandes wahrscheinlich nicht mehr eintreten wird, so ist es doch sehr zufriedenstellend, wenn Patienten dann doch erfolgreich zurück in die Selbstständigkeit gelangen. Bisher war in meinen Einsätzen der Personalschlüssel auch in einem Maße gewählt worden, bei dem man weniger Druck bei der Arbeit verspürt, als beispielsweise auf einer chirurgischen Station mit viel Patientendurchlauf.

Caroline:
Die schneidenden Fachbereiche und die IMC. Dort gibt es immer viel Abwechslung. Stichwort Langeweile. 🙂

 

Wenn ihr Fehler macht, hat das schwerwiegendere Folgen als in anderen Berufen. Wie geht ihr mit dieser Verantwortung um?

 

Ikin:
Ich versuche Fehler zu vermeiden, da mir bewusst ist, dass die Fehler Gesundheit oder Leben meines nächsten kosten kann.

Christopher:
Ich führe nur Handlungen durch, bei denen ich mich sicher fühle. In jedem Fall stelle ich möglichst viele Fragen an erfahrenere Kollegen.
Durch viele wechselnde Fachbereiche muss ich allerdings immer wieder versuchen noch einmal das Fachwissen zu wiederholen, in dem ich mich ungeübt fühle.
Glücklicherweise konnte ich mich bisher in meinen Handlungen sicher fühlen und genug Routinen entwickeln. Dadurch fühlt sich die erhöhte Verantwortung aber auch nicht beeinträchtigend oder besonders hoch an.

Caroline:
Ich nehme mir häufig eine Auszeit in Form von freien Tagen und Sport. Ich unterrichte Schwimmen für Kinder und Aquafitness zum Abschalten.

 

Wie seid ihr in die Arbeitnehmerüberlassung gekommen und was hat sich seitdem für euch beruflich verändert?

 

Ikin: Ich bin durch eine Stellenanzeige auf einer Internetseite auf meine jetzige Leiharbeitsfirma gekommen und seitdem kann ich mir viele verschiedene Häuser und Stationen ansehen, was mir viel Freude bereitet.

Christopher:
Ursprünglich suchte ich nur ein Unternehmen, welches in Bremen und Berlin ansässig ist, um mich besser auf eine Wohnung in Berlin bewerben zu können. Allerdings musste ich dann feststellen, dass die Dienstplangestaltung für eine Familie dort wesentlich angenehmer ist. Zusätzlich war ich überrascht, wie viel mehr Gehalt man sowohl in Krankenhäusern, als auch in Leasingfirmen bekommt.
Im Vergleich zur häuslichen Pflege und dem Pflegeheim, in dem ich ein Jahr arbeitete, veränderte sich mein Gehalt schlagartig um rund 800 Euro.
Am größten hat sich aber mein Fachwissen verändert. Im häuslichen Bereich kommt es auf andere Dinge an und so rostet man beim medizinischen Wissen ein wenig ein.
Da sich die Fachrichtung, in der ich arbeite aber stetig ändert, habe ich nicht nur eine Routine durch eine andere getauscht, sondern muss mein Wissen stets aktuell halten.
Ein ebenfalls großer positiver Punkt ist nämlich, dass der stetige Wechsel der Bereiche sehr interessante Vergleiche und Perspektiven ergibt.
Man stellt sich neuen Herausforderungen und kann sich immer wieder für einen Bereich neu interessieren und das ist für mich eine schöne Veränderung.

Caroline:
Ich habe mich bereits dafür interessiert, als ich 2018 wieder nach Deutschland kam. Ich entschied mich aber doch erstmal wieder dafür, in einem Team zu arbeiten, an einem Ort mit festen Arbeitszeiten und geregeltem Ablauf. Aber 2019 hat es mich dann doch gepackt. Immer wieder neue Einsatzorte, neue Abteilungen, neue Kollegen und unterschiedliche Arbeitsweisen haben mich gereizt. Nie betriebsblind zu werden ist das was ich möchte. Immer wieder dazuzulernen hält fit. Ich lerne immer wieder verschiedene Bereiche, Orte usw. kennen. Krankenhaus, Altenheime und Ambulante Pflege.

 

Wie nehmt ihr die Pflege momentan wahr? Wo seht ihr Probleme?

 

Ikin:
Aktuell ist die Pflege schwer belastet. Ein Problem ist, dass  sich immer weniger Menschen für die Pflege interessieren.

Christopher:
Die Pflege ist momentan auf pure Effizienz ausgelegt. Bei all den schönen Aspekten, wie der Verbesserung der Lebensqualität von hilfsbedürftigen Menschen, wird man immer wieder ein wenig in seinem Enthusiasmus zurückgeworfen.
Um mich auf die üblichen Arbeitsmodelle wie das Krankenhaus zu beschränken, würde ich sagen, dass es mir oft an Zeit fehlt, mich mit aufwendigen Patienten angemessen auseinandersetzen zu können. Und auch ohne aufwendige Patienten kann es je nach Krankenhaus sehr stressig im Tagesablauf werden.
In vielen Krankenhäusern mangelt es an einer effektiven/einfachen Dokumentation, sei es analog oder digital. Der Tagesablauf ist manchmal so ungünstig gewählt, dass sich verschiedene Abschnitte einer Schicht oft in die Quere kommen, worunter die gesamte Pflegequalität und auch das eigene Wohlbefinden leiden.
Begünstigt wird dies manchmal auch durch undurchsichtige oder aufwendige organisatorische Strukturen, wie fehlender Patientenbegleitservice, fehlender Transportdienst für z.B. Laborgänge oder der Umstand, dass Materialbestellungen oder ähnliches noch zu oft von Pflegenden übernommen werden müssen.
Außerhalb der Krankenhäuser ist es sehr ähnlich, allerdings kommen da die fehlenden finanziellen Möglichkeiten schneller zum Vorschein. Wenn der Patient keine eigene soziale Absicherung hat, wird dieser Mensch auf kurz oder lang Vernachlässigung erfahren.
Im Großen und Ganzen habe ich dadurch das Gefühl, dass Pflege auch eher als rau und unfreundlich bzw. unzuverlässig wahrgenommen wird. Man steht als Patient oder Angehöriger oft im Freien und sieht sich gestressten Personal gegenüber.
Auch die Pflegefachkräfte scheinen nicht die Möglichkeit zu haben, selbstständig etwas an den großen oder kleinen Problemen ändern zu können, was zusätzlich an der Qualität und Zufriedenheit zehrt.
Allerdings habe ich als Leiharbeiter den Luxus, mir solche Probleme nicht zu Nahe kommen lassen zu müssen und kann dem gelassener gegenübertreten.

Caroline:
Zuviel Verantwortung lasten auf zu wenig Schultern – sprich zu viel Patienten, die mit immer größerem Pflegeaufwand versorgt werden müssen, mit zu wenig Personal. Die Bezahlung, Schichtwechsel, und wenig Freizeit machen den Beruf nicht attraktiv.

 

Was wünschst ihr euch für die Zukunft im Hinblick auf euren Beruf?

 

Ikin:
Mehr Akzeptanz durch unser Volk und bessere Bezahlung.

Christopher:
Ein besserer Personalschlüssel würde vieles weitflächig vereinfachen. Vielleicht wäre auch eine Auffächerung der Aufgaben sinnvoll, bei der bestimmte Handlungen standardmäßig von bestimmtem Personal erledigt werden würde, damit die Pflegefachkraft sich mehr auf die Pflege konzentrieren kann. Ich denke da an Wundexperten, Phlebotomisten, Servicekräfte, Lageristen usw. In jedem Fall würde ich mir Wünschen, dass die Pflege nicht mehr nur als harter, stressiger Beruf wahrgenommen wird.

Caroline:
Bessere Bezahlung und mehr Personal auf den Stationen.

 

Ich danke euch Dreien für eure Zeit, den wunderbaren Austausch und die Einblicke in eure beruflichen Werdegänge.

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