Die Robotik hat in den letzten Jahren einen bedeutenden Einfluss auf zahlreiche Bereiche des Lebens, darunter auch auf die Gesundheitsversorgung und die Pflege gewonnen. Die steigende Nachfrage nach Pflegeleistungen in Verbindung mit dem Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal hat dazu geführt, dass Forschung und Unternehmen vermehrt auf Robotiklösungen setzen, um diese Lücke zu verringern. Von humanoiden Robotern bis hin zu automatisierten Pflegehilfsmitteln bieten diese Technologien eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Pflege zu verbessern und die Lebensqualität von Patienten zu steigern. Dennoch werfen sie auch ethische und praktische Fragen auf, die sorgfältig berücksichtigt werden müssen. In diesem Beitrag werden wir einen genaueren Blick darauf werfen, wie Robotik die Pflegebranche verändert, welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringt und wie sie sich auf das Pflegepersonal und die Patienten auswirkt. Während einige die Einführung von Robotern in der Pflege begrüßen, gibt es auch Bedenken hinsichtlich der menschlichen Interaktion und der persönlichen Fürsorge, die möglicherweise verloren gehen könnten. Es ist wichtig, die Chancen und Herausforderungen dieser neuen Ära der Pflegerobotik zu verstehen, um sicherzustellen, dass sie zum Wohle aller Beteiligten genutzt wird.
Was genau ist denn eigentlich die Robotik?
Die Robotik oder Robotertechnik beschäftigt sich mit dem Entwurf, der Gestaltung, der Steuerung, der Produktion und dem Betrieb von Robotern, z.B. von Industrie- oder Servicerobotern. Bei anthropomorphen oder humanoiden Robotern geht es auch um die Herstellung von Gliedmaßen und Haut, um Mimik und Gestik sowie um natürlichsprachliche Fähigkeiten. Im Fokus sind Hardwareroboter mit Hard- und Software. Reine Softwareroboter, sogenannte Bots werden in erster Linie in der Informatik entwickelt, Nanoroboter in der Zukunft in der Nanotechnologie.[1]https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/robotik-54198
Sie muss eng mit Mensch-Maschine-Interaktion und Mensch-Roboter-Kollaboration, Psychologie und Soziologie (Soziale Robotik) sowie Philosophie (Maschinenethik) zusammenarbeiten.
Die Ergebnisse der Robotik sind wichtig u.a. für:
- Wirtschaft (Industrie-, Landwirtschafts- und Serviceroboter)
- Wissenschaft (Raumfahrt-, Forschungs- und Experimentierroboter),
- Gesellschaft (Serviceroboter, Assistenzsysteme und soziale Roboter),
- Gesundheitswesen (Serviceroboter und soziale Roboter wie Pflege- und Therapieroboter),
- Verkehrswesen (Roboterautos) und
- Militärwesen (Kampfroboter).[2]https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/robotik-54198
Warum brauchen wir überhaupt Robotik in der Pflege?
Der Fachkräftemangel in der Pflege wird zunehmend dramatisch. Bis 2030 werden allein wegen der alternden Bevölkerung zusätzlich 130.000 Pflegekräfte gebraucht. Da liegt der Gedanke nahe, in Zukunft auch Roboter in die Pflege am Patienten zu integrieren. Pflegepersonal wird nicht nur unzureichend bezahlt, sondern trägt durch Schichtdienst, gesteigerte psychische Belastung und den hohen Anteil körperlicher Arbeit durch die Positionierung und Mobilisierung von Patient*innen auch ein großes Risiko für Erkrankungen wie Rückenbeschwerden, Krebserkrankungen und Burn-out. Auf hundert Über-80-Jährige kommen laut OECD schon heute gerade einmal elf Altenpflegekräfte. Im europäischen Vergleich zum Personalschlüssel in Krankenhäusern schneidet Deutschland zusammen mit Spanien am schlechtesten ab: Auf eine Pflegekraft kommen zehn Patienten.
In Deutschland gibt es verschiedene Pilotprojekte, in denen Pflege-Roboter zum Einsatz kommen. Noch dienen Pflegeroboter mehr der Unterhaltung in Pflegeeinrichtungen und werden nur versuchsweise eingesetzt. Sie erinnern beispielsweise an die Einnahme von Tabletten, helfen beim Heben sowie in der Bewegungstherapie oder unterstützen an Demenz Erkrankte beim Gehirntraining. Ob sie tatsächlich einmal tatkräftig beim Essenaustragen und als Assistenz in der Körperpflege am Patienten eingesetzt werden können, ist noch nicht abschließend entschieden.
Der Ethikrat begrüßt die Innovation in der Pflege, stellt aber Bedingungen zum Einsatz von Robotern in der Pflege. Wie weit eine solche robotische Unterstützung in diesen Bereichen gehen kann und darf, wird derzeit unter ethischen und fachwissenschaftlichen Gesichtspunkten in der Wissenschaft und auch in der Öffentlichkeit intensiv diskutiert.
Das BMBF unterstützt mit der Förderlinie „Robotische Systeme für die Pflege“ innovative Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur robotischen Unterstützung der Pflege. Im Rahmen dieser Förderlinie werden zwischen 2020 und 2023 zehn interdisziplinäre Projektverbünde zur Entwicklung, Erprobung und Evaluation von Robotik für die Pflege gefördert, die die Selbstständigkeit und das Wohlbefinden von Pflegebedürftigen stärken, Pflege- und Betreuungspersonen sowie Angehörige physisch und psychisch entlasten und damit einen Beitrag zu einer qualitätsvollen Pflege leisten wollen.[3]https://www.pflege-und-robotik.de/
Soll die Robotik die Pflegekraft am Bett ersetzen?
Nicht, wenn es nach Robotik-Experte Prof. Dr.-Ing. Sami Haddadin vom Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) der Technischen Universität München (TUM) geht. Er hat 2022 der AOK ein Interview gegeben und diese Frage mit folgenden Worten beantwortet:
„Nein! Meine Vision ist es, dass Roboterassistenten dem Pflegepersonal in 20 Jahren sehr viele Aufgaben abnehmen. Eine Versorgung nur durch Maschinen halte ich dagegen für sehr unwahrscheinlich. Dieses Science-Fiction-Szenario hat sich in vielen Köpfen festgesetzt, wird aber keine Realität.“
Zudem ist er der Meinung, dass Robotik und künstliche Intelligenz die Fachkräfte nicht ersetzen, aber unterstützen können. Die Bezeichnung Pflegeroboter lehnt Herr Haddadin eher ab, weil diese in seinen Augen suggeriert, dass man einer Maschine ausgeliefert ist. Stattdessen möchte er den Begriff Pflegeassistent etablieren, weil der Roboter den Pflegefachpersonen „wie eine Art Butler“ assistieren könnte. Dabei sollte er aber auch erkennen können, wann eine Person lieber ihre Ruhe haben will.[4]https://www.aok.de/pk/magazin/pflege/pflegeformen/sind-pflegeroboter-die-zukunft/
Der Ethikrat erkennt in seiner Stellungnahme vom 10. März 2020 zwar den möglichen Nutzen der Robotik für den gesamten Pflegebereich an, sieht diesen jedoch weniger in der Beseitigung von Personalengpässen oder Pflegenotstand als vielmehr in ihrem Potenzial zur Förderung guter Pflege. Gemeint sind damit etwa „Assistenz-Roboter“, die Pflegebedürftige bei der Nahrungsaufnahme oder Körperhygiene unterstützen, Medikamente oder Wäscheutensilien bereitstellen. Sogenannte Exoskelette können Gebrechliche beim Gehen unterstützen. Service-Roboter putzen oder tragen Personen. Robotik kann eine längere Selbstständigkeit Pflegebedürftiger unterstützten, die körperlichen und kognitiven Fähigkeiten trainieren und Rehabilitation fördern, hält der Ethikrat positiv fest. Durch die Fernüberwachung von Körperfunktionen wie Puls, Blutzuckerspiegel oder Blutdruck kann im Notfall, wie z.B. nach Stürzen zeitnah Hilfe geleistet werden.[5]https://provita-deutschland.de/einsatz-von-robotern-in-der-pflege-ist-das-die-zukunft-chancen-und-risiken/
Welche Roboter sind denn momentan schon in den Einrichtungen unterwegs?
- Service-Roboter
In der industriellen Produktion gehören Roboter längst zu Standard. Doch der Service-Roboter erfreut sich erst seit kurzem zunehmender Beliebtheit. In erster Linie finden wir diesen in Form von praktischen Helferlein im Haushalt wie Staubsaug-, Rasenmäh- oder auch Fensterputz-Roboter. Aber auch in professionellen Kontexten werden Serviceroboter immer beliebter, da sie in Zeiten des Fachkräftemangels zeitaufwändige und physische Aufgaben übernehmen und damit Mitarbeitende entlasten können. Serviceroboter unterscheiden sich dabei von anderen digitalen Systemen in erster Linie dadurch, dass sie Aufgaben teil- oder vollautonom ausführen können (vgl. ISO 8373). Sie können sich beispielsweise allein im Raum bewegen oder in eng definierten Rahmen eigenständig auf konkrete Situationen reagieren – z. B. eine mündlich gestellte Frage in normaler Sprache beantworten. - Trainingsgeräte/ Hilfsmittel zur Bewegungsausführung
Trainingsgeräte und Hilfsmittel zur Bewegungsausführung sind eine wichtige Kategorie von Robotern, die es Menschen mit Einschränkungen unmittelbar ermöglicht, bestimmte Bewegungen auszuführen oder Aufgaben zu erledigen, die ihnen sonst nicht möglich wären. Ihr Einsatz kann entweder zeitlich begrenzt sein oder im Rahmen einer Therapie erfolgen oder sogar dauerhaft Menschen mit Einschränkungen ein eigenständigeres Leben ermöglichen.Das Spektrum der verfügbaren Technologien reicht dabei von robotischen Prothesen (z.B. der Hand), über Exoskelette, die im Rahmen physiotherapeutischer Rehabilitation eingesetzt werden können, bis hin zu extern montierten Roboterarmen (Becker et al. 2013; Becker 2018; Klein et al. 2018). Die Einsatzbereiche dieser Roboter sind jedoch begrenzt und ihr Einsatz muss präzise auf die konkrete Situation abgestimmt und eng begleitet werden. Solche Systeme sind im Normalfall wenig autonom, sondern werden unmittelbar durch die nutzende Person oder Dritte (wie Therapeut*innen) gesteuert.[6]://mutig.pulsnetz.de/ueber-uns/artikel/einsatzmoeglichkeiten-von-robotik-in-der-pflege - Telepräsenzroboter
Telepräsenzroboter sind in erster Linie darauf ausgelegt, von Menschen gesteuert zu werden, die sich nicht am selben Ort aufhalten (Becker 2018). So wird es möglich, Aufgaben durchzuführen, die spezialisiertes Wissen erfordern, ohne dass sich Spezialist*in und pflegebedürftige Person am selben Ort aufhalten müssen. Gerade im medizinischen Bereich können auf diese Weise die Stärken technologischer Systeme mit den Stärken menschlichen Denkens kombiniert werden. Solche Systeme sind technisch bereits weit entwickelt und könnten grundsätzlich bereits in der Pflege eingesetzt werden. Hier scheitert es jedoch oft an der Verfügbarkeit entsprechender Angebote durch Ärzt*innen, an der Finanzierung der nach wie vor teuren Gerätschaften und an der Standardisierung entsprechender Prozesse. - Assistenzroboter
Die wahrscheinlich bekannteste und auch verbreitetste Kategorie von Robotern sind Assistenzroboter. Diese sind in erster Linie darauf ausgelegt, konkrete Aufgaben zu übernehmen, ohne dass sie dabei unmittelbar von Menschen gesteuert werden müssen. Sie sind in einem bestimmten Rahmen autonom und können so in erster Linie wiederkehrende und auch physisch anstrengende Aufgaben übernehmen: von der Reinigung von Fußböden (Staubsaug-Roboter), über den Transport von Wäsche oder Essen bis hin zum Stellen von Medikamenten. Bei dieser Art von Robotern zeigt sich das größte Entlastungspotenzial für Pflegekräfte, allerdings setzt das eine gute Planung und standardisierte Abläufe voraus. - Sozial-Interaktive Roboter
Der Einsatz solcher Roboter ist in der Praxis bislang kaum verbreitet und findet nur vereinzelt statt. Sozial-interaktive Roboter sind darauf ausgelegt, Beziehungen aufzubauen: Sie erlauben Interaktionen, um emotionale, soziale oder psychologische Unterstützung zu bieten und passen sich ihrer Umwelt an (Pijetlovic 2020; Korn et al. 2021). Sie können neben der Kommunikation mit Menschen u.a. Emotionen erkennen und adäquat darauf reagieren. Des Weiteren können sie z.B. Nachrichten oder Geschichten vorlesen, Musik abspielen, Gesichter erkennen oder Spiele mitspielen (Korn et al. 2021, Handke 2020).[7]https://mutig.pulsnetz.de/ueber-uns/artikel/einsatzmoeglichkeiten-von-robotik-in-der-pflege
Habt ihr Roboter in der Praxis schon erlebt? Welche der genannten Roboter nutzt ihr? Und wie nehmt ihr die technischen Kolleg*innen wahr? Schreibt es uns in die Kommentare.
Quellenangaben[+]
↑1, ↑2 | https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/robotik-54198 |
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↑3 | https://www.pflege-und-robotik.de/ |
↑4 | https://www.aok.de/pk/magazin/pflege/pflegeformen/sind-pflegeroboter-die-zukunft/ |
↑5 | https://provita-deutschland.de/einsatz-von-robotern-in-der-pflege-ist-das-die-zukunft-chancen-und-risiken/ |
↑6 | ://mutig.pulsnetz.de/ueber-uns/artikel/einsatzmoeglichkeiten-von-robotik-in-der-pflege |
↑7 | https://mutig.pulsnetz.de/ueber-uns/artikel/einsatzmoeglichkeiten-von-robotik-in-der-pflege |