Die Ethik ist eine eigene Wissenschaft, die sich vom griechischen Wort „ethos“ ableitet und mit „Sitte“ oder „Gewohnheit“ übersetzt wird. Die Ethik beschreibt das menschliche Handeln und hinterfragt die Motive und die Ursprünge für unsere Handlungen. Man könnte auch sagen, dass die Ethik die Lehre vom Handeln im Kontext von Gut und Böse ist und sich dabei auf die Moral des Menschen beruft. Für welche Handlungsoption man sich in bestimmten Situationen entscheidet, hängt immer von den eigenen ethischen Werten und Normen ab. Ein wichtiger Bestandteil der Definition von Ethik ist darum die Frage, ob die Handlung selbst wichtiger ist oder die ethischen Gründe und Werte, auf denen die Handlung begründet ist.
Inwiefern spielt Ethik in der Pflege eine Rolle?
Im Bereich der Pflegeprofession sprechen wir von der Pflegeethik. Darunter ist für Pflegefachpersonen eine Art Leitlinie oder Hilfestellung zu verstehen, die dabei unterstützen soll, unsere pflegerischen Tätigkeiten an moralischen und universalen Werten auszurichten. Das Ziel ist an dieser Stelle, dass jede Pflegefachperson eine eigene ethische Handlungskompetenz entwickelt. Oder etwas einfacher ausgedrückt: Es geht darum, einen moralischen Kompass zu entwickeln, der uns als Pflegefachpersonen dabei hilft, besonders in angespannten Situationen fundierte und moralisch vertretbare Entscheidungen zu treffen.
Zentrale ethische Prinzipien professioneller Pflege sind Würde, Fürsorge, Gerechtigkeit und Respekt.
Die Ethik spielt im Pflegeberuf eine zentrale Rolle, da Pflegende täglich Entscheidungen treffen müssen, die das Wohl ihrer Patienten betreffen. Damit für euch Lesende greifbar wird, in welchen Aspekten der Pflege ethische Überlegungen eine Rolle spielen, sind hier ein paar Situationen aus der täglichen Pflegepraxis:
- Autonomie und Einwilligung:
- Pflegende müssen (genau wie alle anderen Professionen auch) die Autonomie der Patient*innen respektieren und sicherstellen, dass diese informierte Entscheidungen über ihre Pflege und Behandlung treffen können.
- Es ist wichtig, die Einwilligung des Patient*innen einzuholen, bevor pflegerische Maßnahmen durchgeführt werden, und sicherzustellen, dass der Patient/ die Patientin die Informationen versteht und zu akzeptieren, wenn ein Patient oder eine Patientin Maßnahmen ablehnt.
- Vertraulichkeit und Datenschutz:
- Der Schutz der persönlichen und medizinischen Daten der Patienten ist essenziell. Pflegende müssen sicherstellen, dass alle Informationen vertraulich behandelt werden und nur autorisierte Personen Zugang zu diesen Informationen haben.
- Gerechte Verteilung von Ressourcen:
- In Situationen knapper Ressourcen, wie beispielsweise bei begrenzten Krankenhausbetten oder Medikamenten, müssen Pflegefachpersonen in Zusammenarbeit mit allen anderen Fachdisziplinen kritische ethische Entscheidungen treffen, um eine gerechte Verteilung sicherzustellen.
- Umgang mit dem Lebensende und Sterbehilfe:
- Pflegende werden oft mit Entscheidungen konfrontiert, die das Lebensende ihrer Patient*innen betreffen, wie z.B. mit der Frage, ob lebenserhaltende Maßnahmen fortgeführt werden sollen oder die Therapie eingestellt werden soll. Natürlich ist auch das eine multiprofessionelle Entscheidung, bei der die Wünsche des Patienten und der Angehörigen respektiert werden müssen und ethische Überlegungen bezüglich der Lebensqualität und des Leidens des Patienten/ der Patientin angestellt werden müssen.
- Pflege von Patienten mit eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit:
- Bei Patient*innen, die nicht in der Lage sind, selbst Entscheidungen zu treffen, müssen Pflegende im besten Interesse des Patienten/der Patientin handeln und möglicherweise auch gesetzliche Vertreter*innen oder Familienmitglieder einbeziehen.
- Konflikte und moralische Dilemmata:
- Pflegende können in Situationen geraten, in denen ihre persönlichen Werte und Überzeugungen mit den Bedürfnissen oder Wünschen der Patienten kollidieren. Es ist wichtig, solche Konflikte professionell und ethisch zu lösen, dabei die eigene Würde und auch die des Patienten/ der Patientin zu bewahren.
- Gewalt und Misshandlung:
- Pflegende müssen aufmerksam sein und eingreifen, wenn sie Anzeichen von Gewalt oder Misshandlung bei Patient*innen bemerken. Es ist ihre ethische Pflicht, die Sicherheit und das Wohlbefinden der Patienten zu schützen, auch vor sich selbst.
- Interprofessionelle Zusammenarbeit:
- Eine effektive und respektvolle Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsdienstleistern ist entscheidend. Ethik spielt eine Rolle bei der Kommunikation, der gemeinsamen Entscheidungsfindung und dem Respektieren der Kompetenzen und Meinungen der Kollegen.
- Selbstpflege und berufliche Verantwortung:
- Pflegefachpersonen müssen sich auch um ihre eigene körperliche und geistige Gesundheit kümmern, um ihre beruflichen Pflichten erfüllen zu können. Ethik umfasst auch die Verantwortung gegenüber sich selbst und der Notwendigkeit, berufliche Grenzen zu setzen.
Welche Prinzipien der Ethik sind für den Pflegeberuf relevant?
Hier werdet ihr einige der vorangegangenen Bereiche verortet wiederfinden, denn die Prinzipien greifen natürlich unser tägliches Aufgabenspektrum auf.
Das Autonomieprinzip gesteht jeder Person das Recht zu, seine eigenen Ansichten zu haben, seine eigenen Entscheidungen zu fällen und Handlungen zu vollziehen, die den eigenen Wertvorstellungen entsprechen. Für Pflegefachkräfte bedeutet das, dass wir das Selbstbestimmungsrecht unserer Patient*innen immer respektieren müssen und ihren Willen in unseren Entscheidungen berücksichtigen sollten. Pflegerische Maßnahmen, die gegen den Willen der zu Pflegenden sind, sollten dementsprechend unterlassen werden.[1]https://www.bibliomed-pflege.de/news/29652-pflegeethik-wenn-pflege-rationiert-wird
Das Fürsorge-Prinzip ist ein weiterer Orientierungspunkt für pflegerisches Handeln und beschreibt die Verpflichtung, therapeutisch-pflegerische Maßnahmen am Wohlergehen der zu pflegenden Menschen auszurichten. Man kann auch zusammenfassen, dass das Wohl des Patienten gefördert werden soll und professionelles Handeln dem Patienten nützen muss im Hinblick auf die Behandlung von Krankheiten zu behandeln, die präventive Vermeidung von Schädigungen und die Linderung von Beschwerden.[2]https://www.bibliomed-pflege.de/news/29652-pflegeethik-wenn-pflege-rationiert-wird Dieses Prinzip ist eng mit dem Autonomieprinzip und dem Nicht-Schadens-Prinzip verknüpft und muss mit diesen in Einklang gebracht werden.[3]https://www.medirocket.de/karrieremagazin/details/was-ist-ethik-in-der-pflege–warum-ist-sie-so-wichtig
Das Prinzip der Schadensvermeidung handelt wortwörtlich davon, Schaden vom Patienten/der Patientin abzuwenden bzw. dem Patienten/ der Patientin keinen Schaden zufügen. Dies erscheint zunächst eigentlich selbstverständlich. Bei einer Vielzahl von Pflege- und Behandlungssituationen kann sich jedoch beispielsweise die Frage stellen, ob eine weitere Maßnahme dem Patienten/ der Patientin nicht eher schadet als nützt und damit unterlassen werden sollte. Kurz gesagt, geht es darum, Schaden und Nutzen von Pflegemaßnahmen sorgfältig abzuwägen und im Einklang mit dem Fürsorge- und dem Autonomieprinzip im Sinne der zu pflegenden Person zu handeln.[4]https://www.bibliomed-pflege.de/news/29652-pflegeethik-wenn-pflege-rationiert-wird
Zu guter Letzt fordert das Prinzip der Gerechtigkeit die gerechte Verteilung von Gesundheitsleistungen an. Gleiche Fälle sollen gleich behandelt werden und vorhandene Ressourcen fair verteilt werden. Hier muss in der konkreten Anwendung geklärt werden, welche Kriterien ausschlaggebend sein sollen und wer welches Recht hat in der konkreten Situation. Damit soll sichergestellt werden, dass Pflegebedürftige nicht aufgrund persönlicher Merkmale benachteiligt und diskriminiert werden.
Wo können sich Pflegende über ethische Grundsätze für ihre Berufsprofession informieren?
Seit 1953 gibt der Ethik-Kodex des International Council of Nurses (der internationale Weltbund der Pflegepersonen) Pflegepersonen aller Fachrichtungen und Qualifikationsstufen einen wichtigen Orientierungsrahmen für die berufliche Ausübung der Pflegeprofession vor. Zuletzt wurde er im Jahr 2021 überarbeitet und auf Englisch, Deutsch, Spanisch und Französisch veröffentlicht. Auf der Website des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) ist dieser Ethik-Kodex nochmal detailliert erläutert.
Im Grund stellt dieser Ethik-Kodex eine Leitlinie dar, die sich auf die Pflichten, Verantwortungen, Verhaltensweisen und das professionelle Urteilsvermögen von professionell Pflegenden im Umgang mit Patient*innen, zu Pflegenden oder Bewohner*innen bezieht. Doch nicht nur das: Auch das Miteinander im Team, unter Kolleg*innen und die interprofessionelle Zusammenarbeit sind hier mit inbegriffen. Gemeinsam mit den vorgegebenen Gesetzen sowie den Vorschriften und Berufsstandards der einzelnen Länder, dient der Ethikkodex als Basis beruflichen Handelns in der Pflege. Die Werte und Pflichten gelten für alle Pflegenden. Egal in welchen Arbeitsfeldern oder Praxisgebieten sie tätig sind.
Mitunter braucht es für bestimmte Tätigkeitsbereiche in der Pflege noch konkretere Leitlinien und so hat die Deutsche Gesellschaft für Intensivpflege und Funktionsdienste e.V. bereits 1995 einen speziellen Ethik-Kodex für Intensivpflegende herausgebracht. Über ein Jahr haben die Mitglieder der Arbeitsgruppe Ethik der Deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste den Ethikkodex auf die heutigen ethischen Herausforderungen in der Intensivpflege überarbeitet und angepasst. Der nun vorliegende Ethik-Kodex der DGF soll einerseits deutlich machen, welche Rolle Intensivpflegende in ethischen Entscheidungssituationen von gesundheitlicher Versorgung einnehmen, anderseits formuliert der Kodex einen Anspruch an die ethischer Entscheidungsfähigkeit Pflegender.[5]https://www.dgf-online.de/ethische-prinzipien-der-intensivpflegenden/
Hast du dich schon einmal mit dem Thema Ethik beschäftigt? Welche Situationen hast du erlebt, die für dich ethisch nicht vertretbar waren?
Quellenangaben[+]