Im Gespräch mit einer Hebamme

 

 

Stell dich unseren Lesern doch einmal vor. Wer bist du? Warum hast du dich für den Beruf der Hebamme entschieden und wie lange bist du schon im Beruf tätig?

Larissa:
Mein Name ist Larissa Beesé ich bin 31 Jahre alt, glücklich verheiratet, Mutter von zwei tollen Kids und Hebamme aus Leidenschaft.
Zur Hebammerei kam ich schon früh. Bereits zu Teenagerzeiten liebte ich die Serie “ Mein Baby“ und bei jedem Film spulte ich immer bis zur Geburtsszene vor. Denn ich fand es faszinierend zu sehen, wie alle in Panik gerieten, sobald die Fruchtblase sprang und wie der werdende Vater im Film umgehend in Ohnmacht fiel.
Natürlich habe ich schnell festgestellt, dass dies nicht ganz der Realität entspricht, aber der Moment der Geburt hat seinen Zauber für mich nie verloren. Die Zeit der Schwangerschaft ist etwas ganz Besonderes, verbunden mit großer Vorfreude auf die neue Situation, wenn aus einem Paar eine Familie wird.
Als Hebamme ist man sehr gesegnet, denn man darf die besondere Zeit der Vorfreude, den Moment der Geburt und die Zeit des Kennenlernens ganz intensiv begleiten. Natürlich erfährt man auch was es bedeutet, wenn diese Hoffnung enttäuscht wird und begleitet die Eltern durch diese unfassbar schwere Zeit. Es ist nicht immer leicht zu akzeptieren, dass das Leben und auch der Tod zu unserem Beruf gehören.

 

Warst du mit deiner Ausbildungssituation zufrieden? Was waren deine persönlichen Ausbildungshighlights?

Larissa:
Die Ausbildung ist sehr hart, aber sie bereitet einen auf diese große Verantwortung vor und lehrt einen auch damit umzugehen, was es bedeutet, sich rechtlich immer in einer schwierigen Situation zu befinden. Daher ist die Dokumentation oft zeitaufwendiger als die Betreuung selbst.
Dennoch bin ich schon seit gut 11 Jahren im Kreißsaal und seit ein paar Jahren auch in der Freiberuflichkeit unterwegs und würde nie einen anderen Beruf ergreifen wollen. Im Kreißsaal erlebt man immer wieder sehr lustige Sachen und kommt mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt. Vor allem zu Zeiten von „Shades of Grey“ waren die Dienste äußerst unterhaltsam und mit den Gegenständen, die wir aus unseren Patientinnen geborgen haben, hätten wir einen eigenen Shop eröffnen können. Weitere Details wären natürlich nicht wirklich jugendfrei.

 

Was macht für dich eine gute Hebamme aus und wie wird man diese?

Larissa:
Ich glaube, um eine gute Hebamme zu werden, darf man nie den Respekt vor der Geburtshilfe verlieren, denn man lernt nie aus. Jeder noch so gut gemeinte Eingriff von meiner Seite, stört den natürlichen Ablauf der Geburt. Und so fokussiert eine gute Hebamme die Mutter stets auf ihr Kind und weg vom Schmerz. Sie ist ein liebevoller Begleiter, der die Eltern leitet, aber nicht bevormundet.
Das gilt natürlich auch für die Betreuung in der Schwangerschaft und im Wochenbett. Man kann niemanden zu etwas zwingen, sondern nur beraten und unterstützen, auch wenn man für sich selbst anders entscheiden würde. Die Erfahrung macht es uns dann möglich, gefährliche Situationen für Mutter und Kind frühzeitig zu erkennen, um dann umgehend eingreifen zu können.

 

Wie wichtig sind dir Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten?

Larissa:
Ich bilde mich sehr gerne weiter und habe daher einige Zusatzausbildungen wie z. B. die für Akupunktur oder eine Weiterbildung zur Trageberaterin gemacht. Für mich ist es wichtig Alternativen zur Schulmedizin anbieten zu können, denn in der Schwangerschaft, unter Geburt oder auch in der Stillzeit ist es nur sehr eingeschränkt möglich, bei Beschwerden etwas einzunehmen. Niemand möchte Nebenwirkungen für sein Kind und so habe ich ein großes Repertoire an Hausmitteln, aus der Naturheilkunde oder eben die Akupunktur, bevor wir dann selbstverständlich auch mit üblichen Medikamenten arbeiten. Und da ich vom Tragen und Bonden der Kleinen absolut überzeugt bin, kann ich auch hier meine Elternpaare beraten und unterstützen. Für die Zukunft habe ich noch zahlreiche Dinge vor, aber leider sind die Ausbildungen richtig teuer und da muss man immer erst etwas sparen, bevor man wieder etwas Neues angehen kann.
Ich träume davon später unterrichten zu dürfen. Aber durch die Reformation unseres Ausbildungssystems hin zur Akademisierung, ist dies noch ein unklarer weiter Weg.

 

Welche Tätigkeiten deines Arbeitsspektrums liegen dir am meisten?

Larissa:
Am liebsten gebe ich Geburtsvorbereitungskurse und gebe dabei alles, um meine Paare auf die Wirklichkeit vorzubereiten. Ohne Ängste zu schüren, aber vor allem auch ohne diese verklärten rosaroten Geschichten die alle unter Druck setzen, am Ende perfekt sein zu müssen. Eine Schwangerschaft ist wunderbar, aber kein Spaziergang und eine Geburt tut scheiße weh, auch wenn die Belohnung es dann wert ist. Sonst gäbe es ja keine Geschwister ;-). Manchmal könnte ich meinen Kindern den Hals umdrehen, aber ich liebe sie unbeschreiblich. Sein ganzes Leben umzustellen ist nicht einfach. Es ist ungewohnt auf Schlaf zu verzichten und die Bedürfnisse eines anderen Menschen konsequent über die eigenen zu stellen. Es ist wichtig zu wissen, dass es allen Eltern so geht und dass es Licht am Ende des Tunnels gibt.

 

Wenn du Fehler machst, hat das schwerwiegendere Folgen als in anderen Berufen. Wie gehst du mit dieser Verantwortung um?

Larissa:
Ich versuche immer mein Bestes zu geben und wenn einmal etwas passiert, was besser hätte laufen können, muss man im Team darüber sprechen um es beim nächsten Mal anders zu machen. Aber die Verantwortung ist mir stets bewusst, sie macht mir jedoch keine Angst. Sonst könnte ich auch nicht mehr als Hebamme arbeiten. Seit ich selbst Kinder habe ist es viel schwieriger geworden die professionelle Distanz zu halten, besonders bei stillen Geburten. Aber ich denke bei Nachsorgen bzw. allgemein in der Selbstständigkeit ist es ein großer Vorteil aus eigener Erfahrung sprechen zu können. Vor ein paar Wochen war ich gezwungen eine Freundin Zuhause zu entbinden, da wir einfach trotz anwesendem Rettungsteam mit Notarzt kein Krankenhaus einen Platz für uns hatte. So musste ich eine komplizierte Geburt mangels Kreißsaalkapazität ungeplant im häuslichen Umfeld durchführen und das in einem reichen Land wie Deutschland. So viel Angst hatte ich noch nie und hoffe das sich bald etwas ändert und nicht erst so eine Situation ohne Hebamme zum Tode von Mutter und /oder Kind führen muss bevor etwas passiert.

 

Wie bist du in die Arbeitnehmerüberlassung gekommen und was hat sich seitdem für dich beruflich verändert?

Larissa:
Die aktuelle Situation im Kreißsaal ist einfach eine fahrlässige Dauerüberlastung aller Räumlichkeiten und der Menschen, die sich für die jungen Familien zerreißen. Ich hatte immer Angst, dass etwas passiert, weil ich keine Zeit habe mich zu kümmern oder um die Akte gründlich zu lesen. Wir hatten oft zu zweit 14 Patienten in einem Dienst. Ich war immer unzufrieden, da ich wusste, das Pensum wird wieder nicht zu schaffen sein und ich wollte nicht warten, bis etwas passiert, dass ich mir nie verzeihe. Zudem war ich schlecht bezahlt, ständig unter Druck noch mehr schaffen zu müssen und an allen Feiertagen weg von meiner Familie.
Vor 5 Jahren habe ich mich für avanti entschieden und bin damit sehr zufrieden. Ich schreibe meinen Dienstplan selbst und kann meinen Urlaub flexibel einreichen. Vor allem bin ich über meine Einsatzerfahrungen sehr glücklich, denn man kommt als Gast in ein Team, was einem ermöglicht, frei von internen Problemen zu arbeiten. Ich habe Zeit mich qualitativ um meine Gebärenden zu kümmern und erfahre von den völlig überlasteten Teams sehr viel Wertschätzung und Dankbarkeit für meine Unterstützung.
Auch die gute Vergütung von avanti ist ein Pluspunkt für die Zeitarbeit.
Natürlich ist nicht alles Gold was glänzt. Es ist nicht einfach, sich immer wieder in kürzester Zeit in neue Teams einzuarbeiten und sich zu beweisen, aber ich liebe die Herausforderung und da jedes Haus einen anderen Schwerpunkt im Fokus hat, lernt man bekanntlich nie aus. Bisher fiel es mir immer wieder sehr schwer am Ende die Teams zu verlassen.

 

Wie nimmst du die Situation der Hebammen in Deutschland momentan wahr? Wo siehst du Probleme?

Larissa:
Wir als Hebammen verdienen schlecht, haben viel Verantwortung und der Weg in die Selbstständigkeit ist durch die hohen Fixkosten durch Versicherungen und Sozialversicherung, Krankenversicherung etc. keine selbstverständliche Alternative. Wer nicht bereit ist, sein eigenes Leben hinten an zustellen, kommt kaum noch zurecht. Jede dritte Frau in Deutschland bekommt keine Hebammehilfe und ist ganz alleine in der wichtigsten Zeit ihres Lebens. Wie geht unser Land mit seiner Zukunft um?! Ich hoffe diese Not auf allen Seiten findet bald Gehör und es ändert sich etwas.

 

Erfährst du Wertschätzung in deinem Arbeitsalltag? Welche Art der Wertschätzung wünscht du dir?

Larissa:
Die Wertschätzung durch unsere betreuten Familien ist wunderschön und hält uns aufrecht.
Bitte liebe werdende Eltern und Großeltern: Ergreift das Wort für uns und verlangt nach der Hilfe, die euch und euren Kindern zusteht.
Nur dann hat die Hebammerei wieder eine Zukunft.

 

Was wünschst du dir für die Zukunft im Hinblick auf deinen Beruf?

Larissa:
Bessere Bezahlung unserer Arbeit um Hebammen zu halten und das Recht auf die freie Wahl des Geburtsortes. Ein Ende der zunehmenden Kreißsaalschließungen sollten oberste Priorität haben, um die Versorgung unserer Kinder beim Start ins Leben zu gewährleisten.

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