ANÜ – Teil 3 – Finanzierung

Wie finanziert sich die Arbeitnehmerüberlassung? Welche Ausgaben hat ein solches Unternehmen und wie finanzieren Pflegeeinrichtungen eigentlich Zeitarbeitnehmer*innen? Diese Fragen und noch einige mehr beantworten wir euch in diesem Beitrag.

Zeitarbeit ist teuer. Zeitarbeit pervertiert das System. Zeitarbeit treibt Pflegeheime in die Insolvenz.

All diese Überschriften waren in den letzten Wochen in der Presse zu lesen. Wir wollen diese auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen und euch ein paar Hintergrundinformationen darüber zukommen lassen, wie sich Zeitarbeitsfirmen (wieder mit Fokus auf den Pflegesektor) finanzieren.

 

Wie finanziert sich ein Zeitarbeitsunternehmen?

 

Im Prinzip werden die Zeitarbeitsfirmen selbst von den Pflegeeinrichtungen (Krankenhäuser, Langzeitpflegeeinrichtungen etc.) bezahlt, welche die Mitarbeiter ausleihen. Diese zahlen dem Zeitunternehmen einen Stundenverrechnungssatz. Von diesem Betrag wird dann auch der Lohn für die jeweiligen Mitarbeiter*innen, sowie sämtliche Sozialversicherungsbeiträge und andere laufende Kosten bezahlt. Auch interne Mitarbeiter*innen der jeweiligen Zeitarbeitsfirma, wie beispielsweise Bürokräfte, die Rechtsabteilung oder auch das Marketing müssen von diesem Geld ihr Gehalt beziehen. Darüber hinaus geht ein gewisser Betrag auch an die Berufsgenossenschaft.

Jedes Zeitarbeitsunternehmen muss zudem gewisse Rücklagen bilden, um seine Mitarbeiter*innen auch dann bezahlen zu können, wenn diese aktuell keinen Einsatz haben. Muss ein Mitarbeiter beispielsweise nach Beendigung eines Einsatzes in einem Kundenunternehmen einige Tage überbrücken, bis er bei einem neuen Unternehmen anfängt, so muss er auch in dieser Zeit entlohnt werden. Zuständig ist hier das Zeitarbeitsunternehmen. [1] … Continue reading

 

Was ist ein Stundenverrechnungssatz?

 

Bei einem Stundensatz (auch Stundenverrechnungssatz genannt) handelt es sich um den Betrag, der einem Kunden für die erbrachte Arbeitsleistung pro Stunde in Rechnung gestellt wird. Die Betriebskosten sind bereits im Stundensatz inkludiert. In der Regel sind die Kosten für Material, das zur Erbringung einer Leistung benötigt wird, nicht enthalten. Üblicherweise ist der Stundensatz der Nettobetrag, auf den noch geltende Steuern zukommen. [2]https://www.papershift.com/lexikon/stundensatz#:~:text=Bei%20einem%20Stundensatz%20(auch%20Stundenverrechnungssatz,sind%20bereits%20im%20Stundensatz%20inkludiert.

Der Stundenverrechnungssatz ist in der Arbeitnehmerüberlassung die Summe, über die die Arbeit der Mitarbeiter*innen, aber auch die Fixkosten der Zeitarbeitsfirmen finanziert werden.

Was genau enthält der Stundenverrechnungssatz?

 

Der Einsatzbetrieb (die Pflegeeinrichtung) zahlt dem Personaldienstleister einen bestimmten Stundenverrechnungssatz.
D.h. für jede Stunde, die der entliehene Mitarbeiter im Kundenbetrieb tätig ist, erhält die Zeitarbeitsfirma eine bestimmte Summe, die vorher festgelegt wird.

Von diesem Stundensatz bezahlt der Personaldienstleister gemäß der eigenen Berechnungen dann alle Ausgaben. Das umfasst den Lohn des entliehenen Mitarbeiters (seinen Stundenlohn), den Arbeitgeberanteil an den Kosten der Sozialversicherung (z.B. Anteil des Arbeitgebers an der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) sowie Ausgaben für den Fall der Krankheit oder auch des Urlaubs, wenn der Mitarbeiter weiter bezahlt wird. Auch die übertariflichen Zulagen und die Schichtzulagen werden hier inkludiert.

Enthalten sind zudem Pauschalen für die Fahrkosten des Arbeitnehmers, für Pflichtfortbildungen und auch für betriebsärztliche Untersuchungen.

Und da Leiharbeitsunternehmen Wirtschaftsunternehmen sind, enthält dieser Stundenverrechnungssatz auch eine Pauschale für die Fixkosten des Leiharbeitsunternehmens, denn dieses hat ja auch regelmäßige Ausgaben, die gedeckt werden wollen.

 

 

Welche Kosten hat denn ein Zeitarbeitsunternehmen zu bewältigen?

Das kommt natürlich ganz darauf an, wie groß ein solches Unternehmen ist und wie viele interne, wie externe Mitarbeiter*innen dieses Unternehmen beschäftigt. Die Bandbreite reicht von neu gegründeten Ein-Person-Unternehmen bis zu Großunternehmen mit mehreren hundert Mitarbeiter*innen intern und extern. Es gibt Unternehmen, die zusätzlich zur zeitlich befristeten Vermittlung von Arbeitnehmer*innen in einzelne Pflegeeinrichtungen auch noch eine Direktvermittlung in die Festanstellung anbieten. Oder, wie am Beispiel von avanti.jobs, Pflegefachpersonen nicht nur regional verleihen, sondern auch national verleihen (nationales Pflegeteam). Noch spezieller wird es dann, wenn Zeitarbeitsunternehmen ganze eingespielte Teams verleihen (OP-Teams oder Dialyse-Teams).

 

 

Je nach Größe, nach Anzahl der Standorte, nach Anzahl der Mitarbeiter*innen entstehen da natürlich wie bei jedem anderen Unternehmen fixe Kosten, die regelmäßig beglichen werden wollen.

Auch Beiträge zur Berufsgenossenschaft, zur beruflichen Unfallversicherung (VBG), für Gewerkschaften und ähnliches müssen regelmäßig bezahlt werden.

 

 

Verlangen Zeitarbeitsunternehmen eine Vermittlungsgebühr vom Kunden?

 

Nein. Denn die Arbeitnehmerüberlassung und die Direktvermittlung von Personal sind nicht dasselbe. In der Direktvermittlung wird für einen Auftraggeber ein geeigneter Mitarbeiter zur Festanstellung gesucht. Für diese Suche gibt es bei erfolgreichem Vertragsabschluss eine Vermittlungsgebühr, eine sogenannte Provision, als Entlohnung für diese Vermittlung.

In der Arbeitnehmerüberlassung kommt eine solche Gebühr nicht zum Tragen, da die Pflegefachkräfte nur für einen bestimmten Zeitraum in die Pflegeeinrichtung entliehen werden. Ein fester Vertrag des Mitarbeiters besteht nur mit dem Leiharbeitsunternehmen.

 

 

 

Wie finanzieren Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser die Buchung von Zeitarbeitskräften in der Pflege?

 

Das ist die Fragen aller Fragen und des Pudels Kern, wie man so schön sagt. Die Kosten für Leiharbeitnehmer*innen in der Pflege sind die Grundlage für die derzeitige Debatte um ein Verbot der Leiharbeit.

Die Finanzierung ist von Mitarbeiter*innen der Zeitarbeit ist nicht für alle Pflegeeinrichtungen gleichermaßen geregelt.

Fangen wir beim Krankenhaus an.

Das Fünf­te Buch So­zi­al­ge­setz­buch – Ge­setz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung – (kurz: „SGB V“) ent­hält Re­ge­lun­gen über die ge­setz­li­che Kran­ken­ver­si­che­rung (GKV).

Da­bei re­gelt das SGB V im Ein­zel­nen, wer in der GKV ver­si­chert ist und wie die fi­nan­zi­el­len Mit­tel für die GKV auf­ge­bracht wer­den. Au­ßer­dem be­stimmt das Ge­setz, wel­che Leis­tun­gen die Kran­ken­ver­si­che­rung er­bringt, wie die recht­li­chen und wirt­schaft­li­chen Be­zie­hun­gen zwi­schen den Kran­ken­ver­si­che­run­gen und den Leis­tungs­er­brin­gern (in dem Fall das Krankenhaus) aus­ge­stal­tet sind und wie die Kran­ken­ver­si­che­run­gen im Rah­men ih­rer tra­di­tio­nel­len Selbst­ver­wal­tung or­ga­ni­siert sind. [3]https://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsrecht_Gesetze_SGBV.html#:~:text=Das%20F%C3%BCnfte%20Buch%20Sozialgesetzbuch%20%2D%20Gesetzliche,f%C3%BCr%20die%20GKV%20aufgebracht%20werden.

 

 

 

Anders sieht die Regelung in Bezug auf Einrichtungen der Langzeitpflege aus.

Die Finanzierung der Langzeitpflege wird in Deutschland im Sozialgesetzbuch XI geregelt, in welchem die Gesetzmäßigkeiten der sozialen Pflegeversicherung abgebildet werden. Die Pflegeversicherung ist im Vergleich zur Krankenversicherung noch stärker an der Vermeidung von Kostensteigerungen interessiert. Das zeigt sich zum Beispiel an folgenden Regelungen:
Die Pflegeversicherung unterliegt dem Subsidiaritätsprinzip – die Familie ist in den Pflegeprozess einzubeziehen. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff ist nach § 14 SGB XI genau definiert. Die Ermittlung der Schwere der Pflegebedürftigkeit erfolgt gemäß § 15 SGB XI. Zudem sind die Leistungen der § 36 und 37 SGB XI gedeckelt.
Im Gegensatz zur Krankenversicherung können die Leistungen der Pflegeversicherung nicht nach Bedarf in Anspruch genommen werden, sondern nur bis zu einer bestimmten Höhe. Leistungen, die darüber hinausgehen, sind von den Pflegebedürftigen selbst zu tragen. Somit liegt eine Teilkaskoversicherung vor (vgl. Mühlberger et al 2010. [4]https://link.springer.com/article/10.1007/s41906-021-1006-x

 

 

Und an diesem Punkt beißt sich die Katze in den Schwanz. Jetzt könnte man ja sagen: Die Arbeitgeber*innen brauchen doch einfach nur die Gehälter ihrer Beschäftigten anzuheben. Dann gäbe es genug Anreiz, um in der Langzeitpflege zu arbeiten und es würden keine externen Leiharbeitskräfte mehr benötigt.
Das wiederum gestaltet sich nicht so einfach, denn diese Mehrkosten müssten ja auch durch die Pflegeversicherung refinanziert werden. Der Leistungserbringer müsste diese Extrakosten mit dem Kostenträger (die Pflegeversicherung) verhandeln. Und dieser müsste, wenn er der Erhöhung zustimmen würde, die entstehenden Mehrkosten über die Beitragssätze zur gesetzlichen Pflegeversicherung in den Sozialabgaben wieder eintreiben, wodurch sich dieser Beitragssatz für alle sozialversicherungspflichtigen Bürger erheblich erhöhen würde.

Unser Gesundheitssystem mit all seinen Paragraphen und Regelungen ist sehr komplex und noch immer nicht gut genug auf den zunehmenden Fachkräftemangel eingerichtet. Hier muss sich viel ändern, wenn der Versorgungsauftrag und die Patientensicherheit gewährleistet werden sollen.

Die Zeitarbeit ist an der Stelle das Symptom und nicht der Ursprung der Probleme.

Was aber stimmt ist, dass Langzeitpflegeeinrichtungen durch eine vermehrte Nutzung von Zeitarbeitsunternehmen Kosten entstehen, die sie dauerhaft nicht bewältigen können.

Hieraus aber zu schlussfolgern, dass wieder einmal die Zeitarbeit das Problem sei, ist zu einseitig gedacht. Zwei Aspekte könnten die Bredouille der Langzeitpflegeeinrichtungen ändern: Eine adäquate Finanzierung von Leiharbeit über die Pflegeversicherung oder die Veränderungen der Rahmenbedingungen, durch die Pflegefachkräfte in der Festanstellung gehalten oder auch in diese zurückgeholt werden könnten. All das ginge natürlich nicht von heute auf morgen. Alles in allem wäre dieser Weg aber nachhaltiger und auch zukunftsorientierter, als ein plattes Verbot der Arbeitnehmerüberlassung. Und Zukunftsorientierung sollte in Zeiten des absoluten Fachkräftemangels das Gebot der Stunde sein.

 

Wo liegt eigentlich der Fehler in der derzeitigen Betrachtungsweise?

 

In der einseitigen Perspektive. Bei der bisherigen Diskussion um das Thema der Leiharbeit blieb bisher die Perspektive der Zeitarbeitnehmer*innen in der Kranken- und Altenpflege komplett außen vor. Die Sichtweise der Arbeitgeber*innen und der Leistungsträger wurde dagegen bis ins Detail beleuchtet.

Eine neue Kurzstudie vom Institut der Deutschen Wirtschaft im Auftrag vom BAP und der iGZ hat nun auch die Perspektive der Leiharbeitnehmer*innen in der Pflege abgebildet. Die Forderung, die Zeitarbeit in der Pflegebranche gesetzlich einzuschränken, wird immer wieder an die Argumentation geknüpft, dass dann die Zeitarbeitnehmer*innen wieder in die Festanstellung in Krankenhäuser und andere Pflegeeinrichtungen zurückkehren würden.
Nun zeigt diese Studie mit 4000 befragten Kolleg*innen aus der Zeitarbeit im pflegerischen Bereich und im ärztlichen Dienst, dass genau diese Erwartung nicht eintreffen würde. Lediglich 18 Prozent der befragten Zeitarbeitnehmer*innen geben an, dass sie im Falle der Einschränkung von Zeitarbeit diesen Weg gehen würden, wobei der Anteil für Fachkräfte noch einmal geringer ausfällt.  55 Prozent der Befragten würden in einen anderen Tätigkeitsbereich wechseln und weitere 11 Prozent ihre Erwerbstätigkeit ganz aufgeben. Somit ist für die meisten Zeitarbeitnehmer*innen in der Pflegebranche die Zeitarbeit als Arbeitgeber ohne Alternative.

 

Die Konsequenz wäre das Gegenteil der eigentlich Erwartungen auf der Arbeitgeberseite. Der
Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel würde sich verschärfen und die Stabilität der Patientenversorgung verschlechtern. Für die verbleibenden festangestellten Mitarbeiter*innen würde die Belastung in der Versorgung nochmal enorm zunehmen.

Abschließend muss klar sein, dass ein Verbot der Leiharbeit keinen Träger von Gesundheits- und Pflegedienstleistungen davon entbindet, die Arbeitsbedingungen seiner Mitarbeitenden nachhaltig zu optimieren. Denn nur durch konsequentes Improvement rund um Schichtdienst, familienfreundliche Arbeitsplanung, ein angemessenes Gehalt und Mitarbeiterförderung und -wertschätzung können Menschen davon überzeugt werden, in der Pflege zu bleiben oder in die Festanstellung in Deutschlands Krankenhäuser und  Pflegeeinrichtungen zurückzukehren. [5]https://www.personaldienstleister.de/zeitarbeit-in-der-pflege-einschraenkungen-koennten-zum-weitreichenden-pflexit-fuehren

 

Im nächsten und letzten Teil unserer Reihe über die Arbeitnehmerüberlassung werden wir eure Fragen aufgreifen und beantworten.

Quellenangaben

Quellenangaben
1 https://www.zeitarbeit-heute.de/zeitarbeitsfirma/#:~:text=Zeitarbeitsfirma%20Beitrag%20Versicherungen-,Wer%20zahlt%20die%20Zeitarbeitsfirma,zahlen%20dem%20Zeitunternehmen%20einen%20Stundenverrechnungssatz.
2 https://www.papershift.com/lexikon/stundensatz#:~:text=Bei%20einem%20Stundensatz%20(auch%20Stundenverrechnungssatz,sind%20bereits%20im%20Stundensatz%20inkludiert.
3 https://www.hensche.de/Rechtsanwalt_Arbeitsrecht_Gesetze_SGBV.html#:~:text=Das%20F%C3%BCnfte%20Buch%20Sozialgesetzbuch%20%2D%20Gesetzliche,f%C3%BCr%20die%20GKV%20aufgebracht%20werden.
4 https://link.springer.com/article/10.1007/s41906-021-1006-x
5 https://www.personaldienstleister.de/zeitarbeit-in-der-pflege-einschraenkungen-koennten-zum-weitreichenden-pflexit-fuehren
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