Einmal vorneweg: Dieses Thema ist so umfangreich, dass eine komplette Erfassung ein ganzes Buch füllen könnte. Ich habe mich daher in diesem Artikel darauf beschränkt euch eine grobe Übersicht zu geben, um euch nicht mit einer schieren Informationsflut zu erschlagen :).
Ist die Gesundheitsversorgung weltweit einheitlich?
Weltweit organisieren Länder ihre jeweilige gesundheitliche Versorgung in Form von streng geregelten staatlichen oder halbstaatlichen Gesundheitssystemen. Würde man ein Gesundheitssystem ausschließlich durch den freien Markt regeln lassen, würde aufgrund der hohen Kosten für Medikamente, ärztliche Konsile, apparative Untersuchungen oder Operationen ein großer Teil der Bevölkerung mit geringem und mittlerem Einkommen von gesundheitlicher Versorgung teilweise oder sogar komplett ausgegrenzt werden.
Es dürfte nicht schwer fallen sich vorzustellen, dass ein solcher Ausschluss nicht nur für die Betroffenen negative Konsequenzen hätte, sondern auch die Gesellschaft eines ganzen Landes spalten könnte.
Ein modernen Staatswesen, welches über ein ausgebautes Gesundheitssystem verfügt, das einem Großteil der Bevölkerung offensteht, kann dies weitgehend verhindern.
Ein solches System muss mindestens drei große Aufgaben lösen, um diese Funktion zu erfüllen:
Der Aufbau, die Organisationsstrukturen und die funktionellen Abläufe der verschiedenen nationalen Gesundheitssysteme unterscheiden sich allerdings deutlich. Dies lässt sich mit den verschiedenen historischen Entwicklungen und politischen Kulturen begründen, hat aber aber auch mit dem jeweiligen sozioökonomischen Kontext der einzelnen Länder zu tun. Gesundheitspolitik ist oftmals das Ergebnis von Disputen und Argumentationen zwischen gesellschaftlichen Akteuren mit unterschiedlichen Interessen, Problemwahrnehmungen und Zielvorstellungen (hier bei uns beispielsweise die Interessen des Ärzteverbandes, der Pharmalobby und aber auch des Versicherten). Seit ihren Anfängen sind die Versorgungssysteme immer weiterentwickelt worden. Meistens geschieht dies in kleinen Schritten. Aber manchmal kommt es auch zu grundlegenden systematischen Strukturreformen, die die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung neu definieren.
Wie wandelbar und divers Gesundheitssysteme gestaltet werden können, zeigt sich auch darin, dass alleine innerhalb der europäischen Union 27 verschiedene nationale Gesundheitssysteme vertreten sind.
Die beiden am häufigsten vertretenen Systeme sind das staatliche Gesundheitssystem und das Sozialversicherungssystem.
Wofür hat sich Deutschland entschieden?
Deutschland ist der Vorreiter, wenn es um das Sozialversicherungssystem geht. Denn dieses wurde hierzulande weltweit zum ersten Mal implementiert. Aus diesem Grund, wird dieser Typus international auch als „Bismarckian-System“ bezeichnet, benannt nach Reichkanzler Otto von Bismarck, in dessen Regierungszeit 1883 das „Gesetz betreffend der Krankenversicherung der Arbeiter“ erlassen wurde.
Die Sozialversicherung umfasst fünf Versicherungen, die vom Gesetz vorgeschrieben sind. Sie sollen die Arbeitnehmer:innen vor den Folgen von Krankheit, Unfällen und Alter/Pflegebedürftigkeit, aber auch vor Einkommensverlusten bei Arbeitslosigkeit schützen.
In diesem System versichern sich die Bürger:innen über die gegen die Kosten, die eine medizinische Behandlung oder Pflege, die Folgen eines Unfalls oder der Jobverlust verursachen könnten.
Allerdings ist diese Art der Versicherung nicht mit beispielsweise einer KFZ-Versicherung vergleichbar, denn bei der Sozialversicherung handelt es sich um eine regulierte, staatlich kontrollierte und solidarische Versicherungsform.
Die Behandlungen werden von Leistungserbringern durchgeführt, die häufig nicht oder nicht direkt Angestellte des Staates sind, sondern alle möglichen Rechtsformen bis hin zu privat wirtschaftenden Unternehmen haben. Im Gegensatz zum staatlichen System wird den Beteiligten mehr Freiheit und Entscheidungskompetenz zugestanden. Der Staat gibt hierbei lediglich die gesetzlichen Rahmenbedingungen vor. Der Rest läuft nach dem Prinzip der Selbstverwaltung. Das heißt, dass alle notwendigen Entscheidungen und Abstimmungen durch die Versicherten und deren Vertreter und auch die Leistungserbringer selbst organisieren müssen, um das System am Laufen zu halten.
Die oberste Aufsicht hat dann jedoch wieder der Staat und würde auch bspw. einschreiten, wenn in bestimmten Bereichen keine selbstständige Einigung erzielt werden kann.
Muss ich mich denn überhaupt krankenversichern?
Die zentrale Säule der Finanzierung der Gesundheitsversorgung ist die Krankenversicherung, in die die Bürger:innen monatliche Beiträge einzahlen und damit einen Versorgungsanspruch im Krankheitsfall erlangen. Der Abschluss einer Krankenversicherung ist Pflicht für die gesamte Bevölkerung (Versicherungspflicht, § 193, Abs. 3. Versicherungsvertragsgesetz):
Jede Person mit Wohnsitz im Inland ist verpflichtet, […] für sich selbst und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen, […] eine Krankheitskosten-Versicherung, die mindestens eine Kostenerstattung für ambulante und stationäre Heilbehandlung umfasst […], abzuschließen und aufrechtzuerhalten.“
Es gibt zwei Möglichkeiten, dieser Pflicht nachzukommen: durch die gesetzliche und die private Krankenversicherung.
Wer in welche Versicherungsform aufgenommen wird, ist im Sozialgesetzbuch V festgelegt, in dem die zentralen Regelungen rund um die gesetzliche Krankenversicherung zusammengefasst sind.
Alle Menschen in Deutschland, die für Lohn bei einem Arbeitgeber angestellt sind, ergo keiner selbstständigen Arbeit nachgehen sondern abhängig arbeiten und deren jährliches Bruttoeinkommen unter einer bestimmten Grenze liegt, sind gesetzlich versichert.
Diese Grenze ist die Jahresarbeitsentgeltgrenze (§5 SGB V), die jährlich nach einem definierten Schlüssel berechnet wird und beispielsweise 2022 bei einem Bruttojahresgehalt von 64.350 Euro liegt. Arbeitnehmer:innen, die mehr verdienen, können wählen, ob sie freiwillig in der gesetzlichen Kasse bleiben möchten oder sich privat versichern wollen. Ebenfalls gesetzlich krankenversicherungspflichtig sind arbeitslose Menschen, Landwirte, Künstler und Publizisten, körperlich oder kognitiv benachteiligte Menschen in Werkstätten, Rentner und Familienangehörige von Pflichtmitgliedern ohne bzw. mit geringfügigem Einkommen (§5, §10 SGB V). Zur letzteren Gruppe zählen auch viele Studierende, sofern sie jünger als 25 Jahre alt sind und das Elternteil mit dem höchsten Einkommen gesetzlich versichert ist.
Generelle Wahlfreiheit zwischen gesetzlicher und privater Versicherung haben Selbstständige und Beamte. Zudem gibt es einzelne Sonderregelungen für spezielle Personengruppen wie die Angehörigen der Bundeswehr oder Strafgefangene.
Diese Regeln führen dazu, dass ein Großteil der Bevölkerung gesetzlich krankenversichert ist, sei es pflichtgemäß oder freiwillig im Zuge der Wahlfreiheit einzelner Gruppen. In Zahlen ausgedrückt waren im Jahr 2021 rund 73 Millionen Menschen gesetzlich und 8,7 Millionen privat versichert, was einem ungefähren Verhältnis von 88% zu 12% entspricht.
Wie funktioniert die gesetzliche Krankenversicherung?
Die GKV ist eine besondere Versicherungsform. Ihre Institutionen und Regeln sind gesetzlich verfasst; daher auch die Begrifflichkeit gesetzliche Krankenversicherung. Die GKV stützt sich auf die Säulen der gesetzlichen Krankenkassen. Diese sind auf Gesetzesgrundlage geschaffene Körperschaften öffentlichen Rechts ohne Gewinnabsicht, die in Vertretung des Staates dessen sozialen Sicherungsauftrag übernehmen. Diese Rechtsform wird als mittelbare Staatsverwaltung bezeichnet.
Laut § 1 SGB V besteht die Aufgabe der GKV darin „die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern sowie die Versicherten aufzuklären, zu beraten und auf eine gesunde Lebensführung hinzuwirken“. Damit hat die GKV einen sehr breit gefächerten Versorgungsauftrag von Gesundheitsförderung und Prävention über Krankenbehandlung bis hin zur Rehabilitation.
Die Kassen haben dabei die Aufgabe, die Beiträge ihrer Mitglieder einzuziehen, zu verwalten und dafür zu sorgen, dass Leistungserbringer bezahlt werden, wenn sie versicherte Mitglieder behandeln. Zudem sollen sie die Qualität und Notwendigkeit der Leistungen überwachen, um sicher zu stellen, dass keine unnötigen oder unwirksamen Therapien durchgeführt werden.
Geleitet werden die Krankenkassen durch Verwaltungsräte, die in fast allen Fällen paritätisch aus Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber zusammengesetzt sind.
Und wie läuft das in einer privaten Krankenversicherung?
Die PKV wird als substitutive Krankenversicherung bezeichnet, weil sie Leistungen der GKV „ganz oder teilweise“ ersetzt (§ 146 Abs. 1 VAG) [15]. Das heißt, dass die PKV ebenfalls bedarfsgerechte Leistungen in einem der GKV ähnlichem Umfang anbieten muss.
Der grundlegende Unterschied zur GKV besteht in der Organisation, denn die Säulen der PKV sind privatwirtschaftliche Unternehmen.
Wenn eine Person eine private Krankenversicherung abschließen möchte, muss sie einen Aufnahmeantrag bei einer der privaten Krankenversicherungen stellen und zudem nachweisen, dass sie für eine PKV berechtigt ist. In diesem Antrag werden neben persönlichen Angaben auch Angaben zur bisherigen Krankengeschichte gemacht. Mit Hilfe dieser Informationen führt die Kasse eine Risikoprüfung (oftmals auch auf Basis einer Gesundheitsprüfung bei einem Versicherungsarzt) durch und entscheidet, ob der Versicherungsantrag angenommen wird. Im Gegensatz zur GKV kann eine PKV den Antragsteller auch ablehnen, wenn die Risikoprüfung ein zu hohes Risiko für die Versicherung aufzeigt, oder aber den Antragsteller tariflich höher einstufen.
Diese Risikoprüfung bildet auch die Basis für die Einstufung in einen Versicherungstarif. Daran gekoppelt ist die Höhe der Prämienzahlung, die der Privatversicherte monatlich entrichten muss. Diese ist unabhängig von der Höhe des Einkommens des Versicherten, aber stark abhängig von gewünschtem Leistungsumfang und der gesundheitlicher Anamnese. Das heißt ganz praktisch, dass vor allem ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen in der privaten Versicherung mehr bezahlen, als junge und gesunde Menschen.
Versicherung und Versicherter schließen schlussendlich einen Vertrag, in dem der Leistungsumfang und die Kosten detailliert geregelt sind. Ist der Vertrag einmal geschlossen, dürfen die Kassen den Versicherten nicht mehr einseitig kündigen. Es ist jedoch später möglich, die den Verträgen zugrundeliegenden Tarife zu erhöhen, um Kostensteigerungen auszugleichen.
Im Gegensatz zur GKV gibt es in der PKV keine Möglichkeit Familienmitglieder mitversichern zu lassen, da hier jede Person separat versichert werden muss (Personenversicherungs- oder Individualversicherungsprinzip).
Auch das Abrechnungssystem in der PKV unterscheidet sich zur GKV. Privatversicherte zahlen in der Regel die Liquidation der Leistungserbringer selbst und erhalten die versicherten Kosten vom Krankenversicherer in Geld erstattet.
Einer der größten Nachteile bei der PKV ist, dass man nicht ohne weiteres wieder zurück in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln kann. Für alle Personen, die älter als 55 Jahre sind, ist ein Wechsel zurück nahezu unmöglich. Der Gesetzgeber hat die Hürden extra hoch gesetzt, damit in der PKV nicht nur junge Versicherte sind, die aufgrund ihres Alters von geringen Beitragssätzen profitieren und später in die möglicherweise günstiger gewordene GKV zurückkehren können.
Wie sieht es denn nun mit der gesundheitlichen Versorgung von Menschen aus, die in unserem Land Schutz suchen?
Asylsuchende sind in Deutschland nicht krankenversichert. Dennoch erhalten auch diese Menschen eine gesundheitliche Versorgung. Zuständig sind hierfür staatliche Stellen wie das Sozialamt oder das Gesundheitsamt.
Zur gesundheitlichen Versorgung gehören die Behandlung bei einer Ärztin oder bei einem Arzt, bei einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt, erforderliche Schutzimpfungen und auch medizinisch gebotene Vorsorgeuntersuchungen. Die staatlichen Stellen arbeiten mit allen Einrichtungen des Gesundheitswesens zusammen.