Wie wir NEIN sagen lernen.

"Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird." - Winston Churchill -

Warum fällt es uns eigentlich so schwer „Nein“ zu sagen?

Jeder wird es kennen. Wir sagen nicht gerne „Nein“. Das Wort „Nein“ unserem Gegenüber  zu entgegnen, fällt uns oft deutlich schwerer, als „Ja“ zu sagen. Das mag daran liegen, dass wir unterbewusst mit dem Wort „Nein“ Ablehnung verbinden und dieses Gefühl Stress in uns auslöst. „Ja“ zu sagen, ist im Vergleich deutlich einfacher und eher mit positiven Gefühlen und Freude verknüpft. „Ja“ zu sagen ist auch in sofern einfacher, als dass wir nicht das Gefühl haben, jemanden zu enttäuschen oder vor den Kopf zu stoßen. Wir vermeiden Streitigkeiten und senden eher harmonische Signale aus. Ein Nein dagegen zieht oft negative Konsequenzen nach sich und unser Umfeld reagiert auf ein „Nein“ weit weniger gut, als auf ein „Ja“. Außerdem ist es so, dass wir Anderen oft gefallen wollen. Jeder fühlt sich selbst gut, wenn er einer anderen Person einen Gefallen tut und diese sich darüber freut. Jeder von uns braucht positives Feedback und möchte geliebt werden. Auch unsere Erziehung spielt in dieses Verhalten mit hinein. Gerade Frauen sind da besonders veranlagt, denn oftmals wird auch heute noch von den Eltern vermittelt, dass Mädchen „gefallen müssen“, angenehm in Erscheinung treten sollten und stets hilfsbereit sein müssen. Bei Jungen dagegen, ist dieser Fokus oft nicht so präsent.

Da spielen auch alte Glaubenssätze wie „Was sollen denn die Anderen von dir denken?“ oder „Du möchtest doch viele Freunde haben, oder?“ eine große Rolle. Wir sind es von klein auf gewöhnt, die Erwartungen Anderer erfüllen zu müssen.

Und so kommt es, dass wir allzu oft dann eben doch den 7. Frühdienst übernehmen, weil Kollegen krank geworden sind, oder zusätzlich zu Kuchen auch noch diverse Getränke zur Stationsfeier mitbringen, obwohl das eigentlich gar nicht unsere Aufgabe gewesen wäre.

 

Ein „Nein“ zu Anderen ist ein „Ja“ zu sich selbst

Dagegen hat ein „Ja“ zu Anderen oftmals negative Konsequenzen für uns selbst. Mehr Druck, weniger Zeit für eigene Interessen, kaum Entlastungspausen und ein höheres Stresslevel sind nur einige davon. Anfangs mag ein kleiner Gefallen für eine andere Person unproblematisch sein. Wenn aber dieses „Ja“ zu Anderen zum Standard wird, vergessen wir uns hinter dieser ständigen Anspannung. „Kannst du das mal eben noch übernehmen?“, „Kannst du bitte schnell noch…?“…

Ein ständiges „Ja“ zu Anderen kann dazu führen, dass wir selbst ausbrennen und uns selbst über all die kleinen Zugeständnisse und Gefallen an Zweite definieren. Und das wiederum macht uns anfällig dafür, in unserer Gutmütigkeit ausgenutzt zu werden. Denn: Wen fragt man eher nach Unterstützung? Die Person, die nahezu immer hilft und stets präsent ist oder die Person, die sich auch mal abgrenzt und für sich selbst eintritt?

Ich nehme an, diese Dinge kennt jede Pflegefachperson aus der Praxis in Zeiten des Personalmangels. Gerade unter fest angestelltem Personal scheint es zum guten Ton zu gehören, freiwillig einzuspringen und damit die eigenen Erholungspausen zu minimieren. Es wird im Grunde oftmals sogar vorausgesetzt.

Und genau da liegt der Fehler.

 

Was kann uns helfen das Nein sagen zu trainieren?

Das automatische Ja haben wir uns über Jahre antrainiert. Doch genauso gut können wir auch wieder erlernen Nein zu sagen. Dafür ist Geduld, Übung und vor allem etwas Mut notwendig. Weil wir meist Angst vor dem Nein und dessen Konsequenzen haben, gilt es hier über den eigenen Schatten zu springen.

Resilienz ist hier das Stichwort.

Dieser Begriff (von lateinisch resilire «zurückspringen» «abprallen») beschreibt die psychische Widerstandsfähigkeit: Die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen (Quelle: Wikipedia).

 

 

Aber was zeichnet denn einen resilienten Menschen aus?

1. Gute Impulskontrolle

Resiliente Menschen sind eher dazu in der Lage ihre Aufgaben, auch diese, die sie nicht gern ausführen, fokussiert zu bearbeiten. Sie bringen ihre Arbeit zielorientiert und konzentriert zu Ende. Auch dann, wenn der Druck von Außen groß ist.
Dieser Fokus führt dazu, dass zusätzlicher Stress vermieden werden kann.

2. Steuerung der Emotionen

Eine zentrale Säule der Resilienz ist es, seine eigenen Emotionen bündeln und steuern zu können. Und zwar nicht, indem Gefühle weggeschoben werden, sondern indem bewusst mit dem Wissen gearbeitet wird, wie negative Gefühle wie Frust, Stress oder auch Ärger überwunden werden können, damit man sich selbst wieder besser fühlt. Hier ist das Ziel Coping-Strategien zu entwickeln für emotionale Situationen zu entwickeln.

3. Optimismus

Bevor hier Missverständnisse entstehen: Gemeint ist nicht die toxische Positivität. Es geht also nicht darum, sich Dinge ständig schönzureden. Resiliente Menschen wissen und fühlen, dass sich Dinge eher zum Positiven wenden, wenn sie der Realität ehrlich in die Augen schauen und die Fakten auf den Tisch legen. Sie lernen, dass Optimismus eher ans Ziel führt – und abgesehen davon auch einfach mehr Spaß macht.

4. Situationsanalyse

Resiliente Menschen betrachten und analysieren ihre Situationen aus allen Perspektiven und lernen so, was nicht funktioniert und wo die Gründe liegen, die in einer bestimmten Situation negative Gefühle auslösen.
Das führt dazu, dass Verhaltensweisen einfach angepasst werden, wenn diese nicht zum erwünschten Ergebnis führen. Auf diese Weise kann sich der Mensch die Dinge anvisieren, die für ihn umsetzbar sind und die sich gut anfühlen und so das eigene Wohlbefinden steuern.
Wenn etwas nicht funktioniert, lernt der Mensch. Das war schon immer so. Angucken, beobachten, Verhalten nachahmen und ausprobieren und am Ende auswerten, ob das Verhalten zum Erfolg führt. Auf diese Weise entwickelt der Mensch Lösungsansätze- und strategien.

5. Situationen anpassen oder ändern

Menschen mit ausgeprägter Resilienz sind sich der Tatsache bewusst, dass sie „ihres eigenen Glückes Schmied“ sind und dass das eigene Verhalten immer auch den Menschen selber und sein unmittelbares Lebensumfeld beeinflussen kann. Das hat den Effekt, dass resiliente Menschen sich nicht ständig als Opfer einer Situation sehen, weil sie wissen, dass sie für ihre Ziele und ihr Lebensglück selber verantwortlich sind.

6. Geeignete Ziele

Resiliente Menschen sind zielstrebig und mitunter auch sehr ehrgeizig. Sie wissen, dass auch Rückschläge zum Leben dazugehören und lassen sich durch diese nicht entmutigen. Sie sind aber auch dazu in der Lage zu erkennen, wann ein Ziel nicht mehr geeignet ist und durch ein anderes Ziel ersetzt werden oder vielleicht auch als nicht erreichbar abgeschrieben werden muss. Neue Ziele werden mit gleichem Ehrgeiz weiterverfolgt.

7. Beziehungskompetenz

Resiliente Menschen sind im Einklang mit sich und anderen Menschen. Ein Perspektivwechsel in die emotionale Welt der Person gegenüber gelingt ihnen durch ein großes Maß an Empathie recht gut. Dies macht den resilienten Menschen zu einem gefühlvollen Mitmenschen.

 

Was kann man nun machen, um die eigene Resilienz zu trainieren?

Resiliente Menschen sind keine Übermenschen. Hier ist, wie schon erwähnt, Training die Kunst. Resilienz kann man sich antrainieren. Und wie bei jedem Sport und jeder neuen Herausforderung ist startet man am einfachsten mit kleinen, erreichbaren Zielen. Denn am Ball bleibt der Mensch nur, wenn er auch erfolgreich ist. Also: üben üben üben! Und sich nicht entmutigen lassen, wenn nicht jeder Tag ein voller Erfolg wird. Klein anfangen und sich langsam steigern. Ein Scheitern ist so quasi ausgeschlossen.

 

Und wie schaffe ich es nun leichter „Nein“ zu sagen?

Die Umstellung ist nicht einfach. Denn wenn das Umfeld erst einmal darauf getrimmt ist, dass wir immer ja zu allem sagen, werden die Menschen um uns herum erstmal enttäuscht oder sogar wütend sein und mit Unverständnis über das neue „Nein“ reagieren.

Auch wenn das alles Andere als einfach ist: Lasse dich davon nicht abschrecken. Auch mit diesen Reaktionen kann man lernen umzugehen. Gehe in die offene Kommunikation, aber ohne dich zu rechtfertigen. Dein Umfeld wird lernen, damit umzugehen.

Auch dein Vorgesetzter wird dies lernen. Deine Einstellung mag anfangs nicht auf Begeisterung stoßen. Aber da es dein gutes Recht ist, NICHT einzuspringen, wird auch dein Vorgesetzter, deine Stationsleitung deine Einstellung irgendwann akzeptieren.

Zum Schluss möchte ich euch noch ein paar Tipps mit an die Hand geben, die ein „Nein“ im Alltag erleichtern:

  • Zeit. Nimm dir aktiv die Zeit über deine Antwort nachzudenken. Was ist es, das DU möchtest? Oftmals sagen wir zu etwas vorschnell Ja wenn wir überrumpelt werden oder uns unter Druck gesetzt fühlen. Auch wenn die Krankheitsausfälle im Kollegium zunehmen, hast du ein Recht darauf, dir ganz genau und ganz in Ruhe zu überlegen, ob du einspringen möchtest oder nicht. Lass fremden Stress nicht zu deinem Stress werden.
  • Selbstachtung. Ein intaktes Selbstwertgefühl ist hier von größter Wichtigkeit. Wenn du dich selber liebst und dir darüber im Klaren bist, dass im Leben dein Glück für dich Priorität hat, wirst du weniger Angst davor haben, zurück gewiesen zu werden. Das macht es auch leichter, die anfangs negativen Reaktionen auf ein „Nein“ auszuhalten. Natürlich ist keine Stationsleitung über ein Nein erfreut. Denn gerade in Zeiten des Personalmangels ist die Dienstplangestaltung keine Freude. Aber das ist nicht dein Problem, sondern das des Krankenhauses bzw. deines Arbeitgebers.
  • Egoismus. Jeder Mensch braucht eine gesunde Portion Egoismus. Denn die Welt besteht nicht nur aus dem Prinzip des Gebens, sondern auch aus dem Prinzip den Nehmens. Beides muss miteinander in Einklang sein. Es ist also auch völlig okay, für sich selbst einzustehen und die eigenen Bedürfnisse vor die der Anderen zu stellen. Du bist nur für dich selbst verantwortlich. Im Beruf, wie im Privatleben. Wenn du ausbrennst, wird sich niemand für deinen Einsatz bedanken. Daher: „You first. Others second.“
  • Klare Ansagen. Lügen haben lange Beine. Das lernen wir schon in der Kindheit. Und das ist eine Weisheit die auch im Erwachsenenalter Aktualität hat. Auch wenn’s sicher manchmal einfacher und bequemer wäre, sich fix eine Notlüge auszudenken, sind diese keine gute Wahl. Wenn auffliegt, dass wir gelogen haben, sind die Folgen oftmals schlimmer, als wenn wir von vornherein klar sagen, was Sache ist. Abgesehen davon machen klare und wahre Ansagen auch authentisch. Du brauchst keinen Geburtstag vorschieben, keine Termine. Es ist authentisch zu sagen, dass du Zeit für dich brauchst. Dass du müde bist. Dass du deine Familie sehen möchtest. Oder was immer für dich der Grund ist, Nein zu sagen. Selbst ein „Ich habe keine Lust einzuspringen“ ist legitim.

 

Noch ein klitzekleiner Ratschlag zum Abschluss:

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Auch wenn Perfektion seinen Reiz hat, ist diese nicht zu erreichen. Geduld ist hier ein guter Ratgeber. Menschen brauchen Zeit um sich umzugewöhnen. Gib dir die Zeit und übe stetig weiter.

Je öfter wir Nein sagen, desto geübter werden wir und umso leichter wird es uns zukünftig fallen.

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