Was ist Pflegewissenschaft und wofür brauchen wir sie?

Was ist Pflegewissenschaft und wofür brauchen wir sie?

In einer Welt, in der die Pflege eine zunehmend komplexe Rolle spielt, gewinnt die Pflegewissenschaft immer mehr an Bedeutung. Pflegewissenschaft ist der Schlüssel zur kontinuierlichen Verbesserung der Pflegepraxis und spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung der Gesundheitsversorgung. Dieser Blogbeitrag wird einen umfassenden Einblick in die Pflegewissenschaft bieten, ihre Definition, ihre Ziele und warum sie für die moderne Pflege von entscheidender Bedeutung ist.

Professionell zu pflegen bedeutet, über das eigene pflegerische Tun nachzudenken, es kritisch zu reflektieren und auf wissenschaftliche Grundannahmen auszurichten. Professionell zu pflegen, beginnt mit der Ausbildung zum Pflegefachmann/zur Pflegefachfrau bzw. mit Beginn eines grundständigen Studiums der Pflege. Auch der Gesetzgeber fordert von uns Pflegekräften ein hohes Maß wissenschaftlich fundierter Pflege (niedergelegt z.B. im SGB XI, SGB V, in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung der Berufsausbildung, im Rahmenlehrplan zur Ausbildung zum Pflegefachmann/zur Pflegefachfrau). Allerdings ist die derzeit gelebte Pflegepraxis noch immer nur gering wissenschaftsorientiert und theoriegeleitet. Pflege erfolgt oft noch unreflektiert nach Tradition, intuitiv und auf Ritualen beruhend. „Das haben wir schon immer so gemacht.“ ist ein Satz, den heutige Pflegeschüler und Pflegekräfte noch oft hören bzw. ihn selbst sagen. Der Theorie-Praxis-Transfer in der professionellen Pflege funktioniert noch nicht richtig, obwohl bereits viele wissenschaftliche Erkenntnisse und Theorien in der Pflege vorliegen.[1]https://www.europa-lehrmittel.de/leseprobe/60026-1.pdf

 

Handlungsfelder der Pflege

 

 

Was genau ist denn Pflegewissenschaft eigentlich?

 

Die Pflegewissenschaft ist noch recht junge Disziplin. Die ersten wissenschaftlich anmutenden Schriften gehen auf Florence Nightingale im Jahr 1860 zurück, die als Begründerin der britischen Krankenpflege gilt. Nightingale erkannte damals bereits, was es brachte, vernünftige, logische Fragen und Beobachtungen sowie Messungen miteinander zu verknüpfen, um der Gesellschaft zu nutzen (vgl. Evers, 2004). Das erste Lehrbuch für Krankenpflege „Notes on Nursing“ veröffentliche Florence Nightingale vor Eröffnung der ersten Schwesternschule unter ihrer Leitung in England, der „Nightingale Training School for Nurses“ (1860). Nun war eine professionelle Ausbildung in der Krankenpflege (zwar noch unter ärztlicher Leitung) möglich und gewann seit dieser Zeit an Ansehen. In der Geschichte der Pflege gilt sie als erste Pflegetheoretikerin.[2]https://www.europa-lehrmittel.de/leseprobe/60026-1.pdf

Die Pflegewissenschaft zählt zu den Handlungswissenschaften und ist eine interdisziplinäre Fachrichtung, die sich mit der Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Wissen in der Pflegepraxis befasst. Sie beinhaltet die systematische Untersuchung verschiedener Aspekte der Pflege, um die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern und evidenzbasierte Praktiken zu fördern. Pflegewissenschaftlerinnen und -wissenschaftler verwenden wissenschaftliche Methoden, um das Verständnis von Pflegephänomenen, Pflegeinterventionen und den Pflegeprozess zu vertiefen. Die Pflegewissenschaft gibt zum Beispiel Antworten auf ethische, empirische, handlungs- und wissensbasierte Fragen. Sie kombiniert Erfahrungswissen, theoretische Kenntnisse und Forschungsergebnisse und leistet einen kontinuierlichen Beitrag zum notwendigen Transfer von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen in die Pflegepraxis.[3]https://pflege.umg.eu/ueber-uns/pflegewissenschaft/ Sie dient als Fundament für evidenzbasierte Praktiken, die eine qualitativ hochwertige Versorgung und Patientensicherheit fördern. Erfahren Sie, wie die Pflegewissenschaft dazu beiträgt, Pflegefachkräfte zu befähigen und ihre klinischen Entscheidungen auf solide Forschungsergebnisse zu stützen. Von der Erforschung neuer Pflegeansätze bis zur Evaluierung bewährter Methoden – die Pflegewissenschaft treibt Innovationen voran. Durch die Anerkennung der Pflegewissenschaft als eigenständige Disziplin wird die Pflege als integraler Bestandteil des Gesundheitswesens weiter gestärkt.

 

Die Teilbereiche der Pflegewissenschaft

 

 

Sind Pflegewissenschaft und Pflegeforschung das gleiche?

 

Obwohl beide Begrifflichkeiten oftmals direkt miteinander verknüpft verwendet oder sogar synonym verwendet werden, haben sie im Ursprung unterschiedliche Bedeutungen. Die Pflegeforschung ist ein Teilgebiet der Pflegewissenschaft und dient der Wissenserweiterung innerhalb Pflegeprofession. Sie untersucht bisher bestehende Pflegesysteme, -modelle und -theorien und pflegerische Regulationsprozesse. Dabei widerlegt oder bestätigt die Pflegeforschung die Effizienz, Anwendbarkeit und Pflegequalität des untersuchten Gegenstandes.[4]https://flexikon.doccheck.com/de/Pflegeforschung Es handelt sich um ein theoretisch fundiertes, systematisches und zielgerichtetes Tun zur Erkenntnisgewinnung und dient somit der Wissensvermehrung (vgl. Lehmann, Langer, Behrens, 2016).

 

Aus welchen Säulen besteht die Pflegewissenschaft?

 

Pflegewissenschaft ist eine empirisch orientierte Sozial- und Humanwissenschaft und besteht in der Regel aus vier Säulen, auch als „Vier-Säulen-Modell“ bekannt. Diese Säulen repräsentieren die Hauptdimensionen der Pflegewissenschaft. Die Integration aller vier Dimensionen ermöglicht eine ganzheitliche Betrachtung der Pflege und fördert eine qualitativ hochwertige Pflegepraxis, basierend auf Forschung, Ausbildung und effektiver Verwaltung. Die Pflegewissenschaft muss sich als Wissenschaftsdisziplin beweisen. Sie soll den spezifischen Wissens- und Tätigkeitsbereich der Pflege definieren und das kann nur gelingen, wenn eine eigene Wissensbasis entwickelt wird, anhand derer die Professionalisierung vorangetrieben werden kann.

 

Die 4 Säulen der Pflegewissenschaft

 

Empirie umfasst (wissenschaftliche) Erkenntnisse, die nicht bloß theoretisch aus abstrakten Regeln abgeleitet sind, sondern auf Fakten beruhen, die aus Erfahrung gewonnen wurden. Empirische Wissenschaften sind Disziplinen, die Objekte oder Sachverhalte beobachten und beschreiben und durch Experimente oder Befragungen untersuchen. In der Pflegewissenschaft geht es in der Empirie z.B. darum, Verhaltensweisen der Pflegebedürftigen (und/oder deren Bezugspersonen), von Pflegekräften und Angehörigen anderer naher Berufsgruppen zu beobachten und zu beschreiben. Es geht darum, Pflegephänomenen aufzuzeigen und zu untersuchen. Empirie kann auch Theorien prüfen.

Die Grundlagen der Pflegewissenschaft beinhalten die Wissensverbreiterung, indem Studierende gängige Theorien und Konzepte der Pflegewissenschaft kennenlernen, unterschiedliche Zugänge von Praxis und Wissenschaft identifizieren und die Pflegeprozessmethode sowie Pflegediagnostik im Kontext von Patienten- und Fallorientierung interpretieren. Die Wissensvertiefung ermöglicht es den Studierenden, zwischen Erfahrungswissen, theoretisch gestütztem und empirischem Wissen in der Pflege zu unterscheiden. In Bezug auf die instrumentale Kompetenz können Studierende Literaturrecherchen durchführen, Literatur kritisch bewerten, einfache wissenschaftliche Texte erstellen und einfache Erhebungs- und Auswertungsinstrumente patientenorientierten Fallverstehens und Fallanalyse verstehen. Die kommunikative Kompetenz der Studierenden zeigt sich darin, dass sie selbstständig in Gruppen denken, selbst erhobene Daten einer Fallanalyse präsentieren und ihre Ergebnisse kritisch diskutieren können. Schließlich beinhaltet die systemische Kompetenz, dass Studierende in exemplarischen Fällen den Zusammenhang von Theorie und Praxis in der Pflege erkennen und analysieren können.[5]https://www.hs-osnabrueck.de/module/22b0511/

Theorien, Modelle und Konzepte dienen dazu, ein bestimmtes Phänomen oder Ereignis aus der Pflegepraxis zu betrachten und zu erklären. Sie möchten einen Phänomenbereich
darstellen mit dem Ziel, zusammengehörende Themen, Probleme und Gegenstände systematisch zu ordnen. Sie stützen sich auf:

  • Erfahrungen (Beobachtung, Versuch, empirische Untersuchung)
  • Hypothesen (wissenschaftliche Annahmen) sowie
  • daraus abgeleitete Gesetzmäßigkeiten.

Die Pflegeforschung haben wir schon in der Fragestellung vorher kurz erklärt. Ziel der Pflegeforschung ist es, Wissensgrundlagen für das pflegerische Handeln im Versorgungsalltag zu entwickeln und zu überprüfen. Dies umfasst auch klinische Pflegeforschungs- und Versorgungsforschungsprojekte mit verschiedenen Schwerpunkten.

 

Um euch die Pflegewissenschaft noch etwas greifbarer zu machen, habe ich Vanessa Schulte, Pflege-Influencerin und Pflegewissenschaftsstudentin um ein kurzes Interview zur Thematik gebeten.

 

Im Interview mit Vanessa Schulte

 

 

Hi Vanessa, ich danke dir dafür, dass du mir und unseren Lesern, Zeit widmest und ich dir ein paar Fragen zum Pflegewissenschaftsstudium stellen darf.

Warum hast du dich für das Studium der Pflegewissenschaften entschieden und was fasziniert dich daran im Speziellen?

Ich habe das Studium Dual absolviert. Erst ausbildungsbegleitend, dann berufsbegleitend. Ich hatte mich dafür entschieden, weil ich einfach mal gucken wollte und nichts zu verlieren hatte. Das das Studium genau das richtige für mich war, ahnte ich da noch nicht. Faszinieren tut mich, dass ich endlich in der Lage bin „Sachen die schon immer so gemacht wurden“ zu hinterfragen und mir Antworten zu beschaffen.

 

Welchen Stellenwert hat deiner Meinung nach diese Wissenschaft derzeit und wie wichtig ist es, dass wir den Pflegeberuf wissenschaftlich fundiert ausrichten?

Die Pflegewissenschaft ist in Deutschland immer mehr im kommen, doch hängen wir unseren Nachbarländern noch um einiges hinterher. Wir arbeiten mit Menschen, es sollte unser Anspruch sein unsere Handlungen nach besten Wissen auszuführen und das immer wieder neu zu hinterfragen.

 

Wie würdest du einer Kollegin oder einem Kollegen das Spektrum der Pflegewissenschaft ganz einfach erklären, die/der mit dieser Begrifflichkeit noch nie in Berührung gekommen ist?

Es reicht von der Theorie, über Forschung und praktische Inhalte u.a. zu den Themen Gesundheit, Soziologie, Ethik und Management.

 

Habt ihr noch weitere Fragen zum Thema der Pflegewissenschaft oder auch an Vanessa? Dann lasst uns diese gerne in den Kommentaren da und wir beantworten sie schnellstmöglich. 🙂

 

 

Quellenangaben

Quellenangaben
1, 2 https://www.europa-lehrmittel.de/leseprobe/60026-1.pdf
3 https://pflege.umg.eu/ueber-uns/pflegewissenschaft/
4 https://flexikon.doccheck.com/de/Pflegeforschung
5 https://www.hs-osnabrueck.de/module/22b0511/
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