Zwischen kurativer Medizin und Palliativversorgung - Die Pflege in der Onkologie

Zwischen kurativer Medizin und Palliativversorgung – Die Pflege in der Onkologie

Diagnose: Krebs. Ein Moment, der das Leben Betroffener absolut auf den Kopf stellt. In diesem Beitrag wollen wir die Pflege auf onkologischen Stationen im Krankenhaus in den Fokus nehmen und beleuchten, was die Arbeit in diesem speziellen Bereich so besonders macht.

Auf onkologischen Stationen leisten Pflegefachkräfte einen unermesslich wertvollen Beitrag in der Betreuung von Patient*innen, die mit unterschiedlichen Krebserkrankungen konfrontiert sind. Die Pflege auf onkologischen Stationen geht weit über die bloße medizinische Versorgung hinaus und erfordert ein tiefes Verständnis für die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen dieser Patientengruppe. Hier verschmelzen Empathie, Fachkompetenz und ein einfühlsamer Umgang zu einer einzigartigen Form der Pflege, die darauf abzielt, nicht nur körperliche, sondern auch emotionale und psychosoziale Aspekte der Krankheit anzugehen. In diesem Kontext spielen Pflegefachkräfte eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung von Patient*innen und ihren Familien während des gesamten Krebsbehandlungsprozesses.

 

Was bedeutet onkologische Pflege eigentlich?

 

Bedauernswerterweise kennt mittlerweile fast jeder einen Menschen in seiner Familie, seinem Freundes- oder seinem Bekanntenkreis, der an Krebs erkrankt ist oder war. Obwohl in diesem Gebiet sehr viel Forschung betrieben wird, sind zahlreiche Tumorarten nur schwer zu behandeln und verzeichnen noch immer eine hohe Sterblichkeitsrate. Dazu kommt, dass unter anderem aufgrund der Alterung der Bevölkerung auch die Zahl der neu diagnostizierten Krebserkrankungen immer mehr zunimmt. Um die Patientinnen und Patienten zu versorgen, werden Fachkräfte mit einer Fachweiterbildung in Onkologie und Palliativpflege benötigt, die bei der Behandlung und der Rehabilitation mit viel Fachwissen unterstützen. Denn onkologische Pflege umfasst die Betreuung und Beratung von Patient*innen und deren Zu- und Angehörigen in einer breiten Palette von Situationen in onkologischen Kliniken, Praxen oder im Bereich der palliativen Versorgung.[1]https://www.msdconnect.de/therapeutic-areas/onkologie/onkologische-pflege/allgemeines/

 

Das Aufgabenspektrum onkologischer Pflege

 

Onkologische Pflegemaßnahmen können im Alltag sehr unterschiedlich aussehen.
Oft sind onkologische Pflegekräfte die ersten Ansprechpartner*innen für Patient*innen und Angehörige. Sie bilden damit eine wichtige Schnittstelle zwischen Patient*innen, Angehörigen, Onkolog*innen, Psychoonkolog*innen und anderen behandelnden Ärzt*innen und Berater*innen.

Eine besondere Herausforderung dabei ist, Informationen so zu vermitteln, dass Patient*innen und Angehörige sie auch in der akuten emotionalen Ausnahmesituation verstehen und verarbeiten können. An der Stelle spielt die onkologische Pflegeberatung eine große Rolle.

 

Die onkologische Pflegeberatung

 

Als Bindeglied zu Patienten und deren Angehörigen erfordert die onkologische Pflege von Fachkräften nicht nur ein tiefes Verständnis für angewandte Therapieformen, sondern auch ein Bewusstsein für die entsprechenden Anforderungen. In diesem Bereich, insbesondere in Bezug auf onkologische Therapien, haben sich in den letzten Jahren bedeutende Entwicklungen vollzogen. Forschungseinrichtungen und Unternehmen setzen fortlaufend auf innovative Therapieansätze, um Krebspatienten eine optimierte Perspektive zu bieten.

Die Wahl der Therapie hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die spezifische Krebsart, der generelle Gesundheitszustand des Patienten und die individuelle Ausprägung der Erkrankung. Onkologische Pflegekräfte müssen daher ein breites Wissen über unterschiedliche Therapieformen besitzen, um den spezifischen Anforderungen der Pflege gerecht werden zu können.[2]https://www.msdconnect.de/therapeutic-areas/onkologie/onkologische-pflege/allgemeines/

 

Wir haben uns wieder einen Interview-Gast eingeladen, der uns als Fachexperte noch viele gute Einblicke in seinen Arbeitsbereich der onkologischen Pflege geben kann.

 

Vorstellung Onkologiepfleger Aron L.

 

 

Wie bist du in den Bereich der Onkologie gekommen? Was fasziniert dich an diesem speziellen Arbeitsbereich?

 

Mehr oder weniger durch Zufall, wollte eigentlich auf die ITS 2008 nach der Ausbildung. Da war nix frei und bin dann auf der Tumororthopädie/Sarkomzentrum gelandet. Sehr spannendes und abwechslungsreiches Fachgebiet. Da habe ich gemerkt wieviel mehr Onkologie doch ist, wie facettenreich und fordernd. Ich möchte nichts anderes mehr machen.

 

Hast du die Fachweiterbildung zur Fachkraft für onkologische Pflege gemacht? Falls ja, was hat dich dazu bewogen und wie hast du die Fachweiterbildung wahrgenommen? Und falls nein, warum nicht? Was hat dich abgehalten?

 

Nein, habe ich nicht. Bin aktuell auch nicht groß daran interessiert. Ich bilde mich recht häufig persönlich fort, mit den Themen, die mich interessieren. Ich höre von meinen Kolleg*innen häufig, dass gerade das erste Weiterbildungsjahr viel trockene und langweilige Wiederholung von der „Grundkrankenpflege“ ist. Um mir das Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun zum 7. Mal anzuhören, ist mir meine Zeit zu schade 😜. Monetär gewertschätzt wird es außerdem auch kaum. Vielleicht in Zukunft mal, aber aktuell bin ich froh nach einem harten Dienst nach Hause zu kommen und mich meiner Familie und meinen Hobbys zu widmen. Außerdem habe ich vor Prüfungen Schiss😄

 

Mit welchen Erkrankungen im onkologischen Bereich hast du in deinem Arbeitsalltag zu tun und welche Erkrankung fasziniert dich davon an meisten (wenn man das so formulieren darf ^^)?

 

Seit 2014 arbeite ich auf einer Hämatologie/Onkologie mit Schwerpunkt Stammzelltransplantation. Am spannendsten finde ich die akute Promyelozytenleukämie (AML M3), auch unter der Hand „Blutungsleukämie“ genannt – habe ich jedenfalls mal so gehört. Sehr selten, sehr aggressiv, aber wenn man sie rechtzeitig erkennt und dementsprechend behandelt (Notfalltherapie mit arsenhaltigen Substanzen, Überwachung etc.), haben Patient*innen sehr gute Chancen und können eine recht rasche Heilung haben, im Vergleich mit anderen Erkrankungen. Bei dieser Leukämieform treten häufig schwere Thrombozytopenien und Gerinnungsstörungen auf, die auch zügig zum Tode führen können. Da ist immer ein gewisser Nervenkitzel bei.

 

Welche speziellen Herausforderungen kommen auf Pflegekräfte im onkologischen Setting zu? Welche Skills und besonderen Kenntnisse muss eine Pflegekraft in diesem Bereich erlernen oder vorab schon erlernt haben?

 

Der Fachbereich Onkologie ist riesig! Da ist für jeden was dabei. Aber eines haben onkologische Patienten in allen Bereichen gemeinsam: es werden viele dort das erste Mal mit ihrer eigenen Vergänglichkeit konfrontiert. Sie durchstehen Situationen und Ängste, denen sich viele Andere nicht stellen müssen. Darauf sollte man gefasst sein. Empathie wird hier groß geschrieben. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass man für viele Patient*innen ein wichtiger Teil ihres Lebens wird. Die Betreuung und Behandlung geht dadurch mit einer großen Verantwortung einher.

 

Ich stelle mir die Pflege in der Onkologie als besonders emotional aufwühlend vor. Ist das wirklich so? Wie nimmst du das wahr und wie grenzt du dich von diesen Gefühlen ab bzw. wie gehst du mit deinen Gefühlen um? Wie hältst du die Balance zwischen Professionalität und Mitleid für Betroffene?

 

Mitleid nein, Empathie ja. Klingt einfach, ist es aber nicht😄. Wer mitleidet, leidet eben und verliert schnell den Fokus und wird vom Anker für Patient*in und Angehörige zum führerlosen Segelboot auf rauer See. Um in der Onko „bestehen“ zu können, muss jeder für sich lernen, wo seine Grenzen sind und wie man sie zieht. Das kann man nur schwer jemanden beibringen und jede(r) muss da seine/ihre eigene Taktik finden. Aus Erfahrung lernt man eben.
Ich hatte (fast) nie wirklich damit Probleme, dass persönliche Schicksale von Patient*innen oder gar der Tod mich aus der Bahn warfen oder ich das Gefühl hatte, dass sie mich negativ beeinflussen würden. Das kann ich professionell ausblenden. Mir macht das sogar Spaß, auch wenn das merkwürdig und nur schwer verständlich klingt. Ich arbeite gerne mit trauernden Menschen, bin gerne dieser „Anker“, auch für Patient*innen in der letzten Lebensphase. Mit dem Verlassen des Krankenhauses schalte ich aber auf „Off“.
Meine Geheimwaffe ist das Lachen – allerdings verlangt das sehr viel Fingerspitzengefühl für die richtige Situation bzw. für den richtigen Moment. Das lockert viele angespannte Situationen auf und lenkt, auch wenn nur kurz, von der ganzen Schei**e ab. Jede(r) Patient*in ist wichtig und ich muss für jede(n) gleich „da sein“ und fast jede(r) freut sich über eine erfrischende Pflegefachkraft mit Energie, Humor und Einfühlungsvermögen.

 

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Ärzt*innen, Therapeut*innen und anderen Fachkräften in deinem onkologischen Team? Inwiefern spielt die Kommunikation und Abstimmung mit den anderen Gesundheitsdienstleistern eine Rolle in deiner täglichen Arbeit?

 

In meiner aktuellen Abteilung ist die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen, im Verhältnis zu anderen Bereichen, gut. Die Hierarchien sind flach und man respektiert sich. Alle Punkte sind natürlich ausbaufähig und die Stimmung im Allgemeinen schwankt immer wieder mal, aber vieles wird dann zusammen durchgestanden, interdisziplinär im Team. Leider ist die Arbeit mit den Therapeut*innen schwierig, denn dort herrscht auch ständige Unterbesetzung und auch eine gewisse Unwissenheit über viele unserer Krankheitsbilder. Wenn dann deren Azubis mit den mobilen Pat. über den Flur spazieren und die „wichtigen“ Pflegefälle dann zu kurz kommen, ist das nicht gerade förderlich. Die Pflege hat für sowas leider kaum noch Zeit, weil durch Umstrukturierungen immer mehr Aufgaben auf uns Pflegekräfte übergebügelt werden.

 

Wie unterstützt ihr Patient*innen und deren Familien psychologisch während des gesamten Krankheitsverlaufs?

 

Am Anfang schafft man viel Vertrauen mit unermüdlicher Aufklärung und Anleitung. Gerade eine Stammzelltransplantation ist verdammt komplex und verlangt eine besondere Compliance. Durch wiederkehrende Gespräche mit den Patient*innen kann man diese fördern. Manchmal reicht es auch einfach Patient*innen zuzuhören. Jede(r) Patient*in hat im Laufe seiner Therapie seine Bezugs- bzw. Vertrauenspersonen. Wir vermitteln auch zwischen Angehörigen und Patient*innen.
Dabei unterstützt uns auch der onko-psychologische Dienst.

 

Wie integriert ihr ethische Überlegungen in eure onkologische Pflege, insbesondere in Bezug auf schwierige Entscheidungen und End-of-Life-Betreuung? Welche Rolle spielt die Palliativpflege in deiner Arbeit, und wie unterstützt ihr Patient*innen in dieser Phase?

 

Puh, schwierig. Der Umgang mit ethischen Konflikten ist immer ein kompliziertes Thema. Ich bin selbst Teil des klinischen Ethik-Komitees und es gibt in Beratungsrunden immer noch das Problem, dass sich durch diese Runden die Behandelnden angegriffen fühlen, wenn man gewisse Entscheidungen ethisch hinterfragt. Da braucht es Aufklärung und Sensibilisierung. Unsere Abteilung arbeitet vorwiegend mit Patient*innen die, zumindest auf dem Papier, einen kurativen Ansatz haben. Es versterben tatsächlich bei uns auf Station recht wenige Menschen. Viele der kritisch kranken Menschen, werden vorher auf die ITS verlegt und versterben dann auch mal leider dort.
Der Switch von Kurativ auf Palliativ passiert recht selten auf Station. Aber wenn, dann setzten wir alles in Bewegung, was geht, um die letzte Lebensphase so respektvoll und angenehm wie möglich zu gestalten. Wir stellen Betten für Angehörige bereit, sorgen für angenehmes Ambiente mit Duftlampen und schöner Beleuchtung und versuchen so gut wie es geht, bedürfnisorientiert und entschleunigt nach den Wünschen der Patient*innen zu handeln.

 

Wie hältst du dich über aktuelle Entwicklungen in der onkologischen Pflege auf dem Laufenden? Welche Fort- und Weiterbildungen hast du absolviert, um deine Kenntnisse und Fähigkeiten in der onkologischen Pflege zu vertiefen und welche möchtest du vielleicht noch absolvieren?

 

Ich bin so ein typischer Kongressgänger. Auf Kongressen kann man immer irgendwie die Themen wählen, für die man sich interessiert. Da kommt man mit Leuten in Kontakt, von denen man viel lernen kann. Dazu veranstalte ich regelmäßig Fach-Fortbildungen für andere Kolleg*innen und Berufsgruppen. Ich wähle da auch oft Themen aus, für die ich mich selbst interessiere. Das hält natürlich fachlich fit.

 

Welcher Moment war in deiner beruflichen Laufbahn bisher der bemerkenswerteste? Kannst du mir deinen berührendsten Moment schildern? Was wird dir immer in Erinnerung bleiben?

 

Da gibt es Einiges!

  • Mein bestandenes Examen an erster Stelle 😂. Ich bin immer so verdammt aufgeregt und ich stehe mir dann selbst im Wege wenn es darauf ankommt. 😅
  • Ich habe mal Stammzellkurier gemacht und für einen unserer Patienten, aus den USA Stammzellen geholt✈️
  • Ansonsten war die Sat1 „Herzblutaufgabe“, eine TV-Show an der ich mitwirken durfte, mega spannend, schön und auch anstrengend.
  • Ich habe mal eine Hochzeit auf Station erlebt bei einem Patienten, der nur noch wenige Tage zu leben hatte. Das war wirklich sehr emotional! Richtig mit Brautkleid und Anzug.
  • Ein anderer Patient, den ich auf der Sarkom-Station sehr lange betreut hatte, hat sein Leben in einer Dokumentation begleiten lassen. Als ich mir im Nachgang die Doku (Überall wo wir sind) anschaute, war ich echt zu Tränen gerührt.
  • Und ich habe mal einem Milliardär den Kopf geschoren. Als seine Haare ausfielen, wollte er, dass ich das mache. Er war sehr gerührt und emotional, denn nicht nur Frauen hängen an ihren Haaren 😜. Wer kann schon von sich behaupten, einem Milliardär die Haare geschnitten zu haben? 😂 Was für ein Milestone in meiner Vita😂.

 

Wir danken dir Aron, dass du uns in deiner lockeren und fröhlichen Art und Weise ein so wundervolles und umfangreiches Interview gegeben hast. Wer mehr über Aron erfahren möchte, kann auf seinem Instagram-Profil @against_leucemia vorbeischauen.

Quellenangaben

Quellenangaben
1, 2 https://www.msdconnect.de/therapeutic-areas/onkologie/onkologische-pflege/allgemeines/
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