06.02.2023: Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung

Genitalverstümmelung. Ein Thema, das uns privilegierte Frauen industrialisierter Länder kaum betrifft, das aber in großen Teilen Afrikas, sowie auf der arabischen Halbinsel und auch in Teilen Asiens noch praktiziert wird. Warum und wie dem entgegen getreten werden kann, klären wir in diesem Blogbeitrag.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass weltweit über 200 Millionen Mädchen und Frauen beschnitten sind. 3 Millionen Mädchen sind jährlich gefährdet, Opfer einer Beschneidung zu werden. Seit 2003 findet jährlich am 6. Februar der „Internationale Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung“ statt, um auf diese Form der Menschenrechtsverletzung aufmerksam machen.

 

Aber was ist denn Genitalverstümmelung eigentlich?

 

Der Begriff der weiblichen Genitalverstümmelung (englisch: Female Genital Mutilation/Cutting, FGM/C) umfasst alle Verfahren, bei denen die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane ohne medizinische Notwendigkeit teilweise oder vollständig entfernt oder verletzt werden.

Der Eingriff wird meist bei Mädchen im Alter zwischen 4 und 14 Jahren vorgenommen, manchmal aber auch schon im Alter von wenigen Tagen, kurz vor der Eheschließung oder vor der Geburt des ersten Kindes. Meist wird die Verstümmelung von traditionellen Beschneiderinnen durchgeführt, häufig ohne Narkose und mit unhygienischen oder stumpfen Instrumenten.

Die weibliche Genitalverstümmelung ist eine gesellschaftlich tief verankerte schädliche Praktik, die vielfach als soziale Norm oder gar fälschlicherweise als religiöses Gebot angesehen wird. Es handelt sich dabei um eine schwere Verletzung der Menschenrechte, etwa des Rechts auf Gesundheit und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit. [1] … Continue reading

 

Welche Formen der Beschneidung von Mädchen gibt es?

 

Die Weltgesundheitsorganisation WHO unterscheidet zwischen vier verschieden Arten der weiblichen Beschneidung:

  • FGM-Typ 1: Hierbei wird die Klitoris teilweise oder komplett abgetrennt. In einigen, wenigen Fällen lediglich die Haut über der Klitoris.
  • FGM-Typ 2: Hierbei wird die Klitoris teilweise oder komplett entfernt. Außerdem werden die inneren Schamlippen und in einigen Fällen auch die äußeren abgeschnitten.
  • FGM-Typ 3: Hierbei wird die Vagina zugenäht, sodass nur eine kleine Öffnung für Urin und Menstruation bleibt. Dazu werden häufig Teile der äußeren Geschlechtsorgane abgetrennt und als Haut-Verschluss genutzt. Bei dieser Form der Beschneidung wird häufig auch die Klitoris entfernt.
  • FGM-Typ 4: Unter Typ 4 fallen alle weiteren, schädigenden Prozeduren, die ohne medizinischen Beweggrund durchgeführt werden. Dazu gehören: Verätzungen, Piercings, Ritzen, Einschneiden, Stechen im Genitalbereich. [2]https://www.sos-kinderdoerfer.de/informieren/wie-wir-helfen/gesundheit/fgm-beschneidung-von-maedchen-und-frauen

 

Illustration von SAIDA International e.V., Download unter saida.de

 

Was macht diese Menschenrechtsverletzung mit den betroffenen Frauen, sowohl körperlich als auch psychisch?

 

Der ungewollte Eingriff in die eigene Körperlichkeit, die Verstümmelung der Genitalien ist für die meisten Frauen und Mädchen der Beginn eines Leidensweges, der sie lebenslang begleitet, denn die Genitalverstümmelung kann nicht rückgängig gemacht werden. Alle Formen dieser Praktik können schwere psychische, physische und soziale Folgen haben und sogar zum Tod führen.

Betroffene erleiden meist ein schwerwiegendes unauslöschbares körperliches und seelisches Trauma. Während des Eingriffes kommt es oftmals zu starken Blutungen und enorme Schmerzen, verursacht durch das Entfernen von Teilen der Genitalien und der damit einhergehenden Beschädigung von Venen und Arterien OHNE Betäubung. Im direkten Nachgang leiden die Frauen und Mädchen unter Wundinfektionen, die durch nicht sterilisierte Instrumente, mangelnde Handhygiene und traditionelle Wundheilmittel entstehen. Vielerorts wird auch noch der Brauch angewandt, dem Opfer nach dem Eingriff die Beine zusammenzubinden, was den Abfluss des Wundsekrets verhindert. Es kommt zu Abszessen und Fistelungen. Laut WHO sterben 10 Prozent der Frauen an den direkten Folgen wie Blutvergiftung und Blutverlust. [3]https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/263832/6-februar-internationaler-tag-gegen-weibliche-genitalverstuemmelung/

 

 

Leider steckt die Forschung hinsichtlich der psychischen Folgen und der Auswirkungen auf das sexuelle Empfinden und Erleben der Frauen noch in den Kinderschuhen. Die Studienlage ist hier noch sehr dünn. Deutlich wird aber, dass viele Betroffenen jahrelang unter dem erlebten Trauma leiden und oftmals auch das Vertrauen in ihre Bezugspersonen verlieren.

 

 

UNICEF schätzt, dass in 30 Ländern über 200 Millionen genitalverstümmelte Mädchen und Frauen leben. Und jedes Jahr sind weitere drei Millionen Mädchen in Gefahr, Opfer dieser Praxis zu werden.

Auch in Deutschland leben Frauen, die genitalverstümmelt wurden. 2020 waren es um die 66.000 Frauen und Mädchen und auch hierzulande sind zwischen 2.785 und 14.752 Mädchen davon bedroht Opfer dieser Menschenrechtsverletzung zu werden.

 

Wie ist denn eigentlich die ärztliche Versorgung Betroffener hierzulande?

 

Viele Ärzte und Ärztinnen hierzulande sind im Erstkontakt mit genitalverstümmelten Frauen überfordert, denn die Erfahrungswerte, wie man mit Betroffenen spricht und auf sie eingeht oder eine solche Patientin während einer Geburt begleitet sind oft mangelhaft.

Patientinnen mit genitaler Beschneidung, insbesondere Infibulation, bedürfen der
besonderen ärztlichen und psychosozialen Betreuung und Beratung, vor allem was die körperlichen Folgen sowie Sexualprobleme angeht.
In einer Stellungnahme zur weiblichen Genitalverstümmelung hat sich die Arbeitsgemeinschaft „Frauengesundheit in der Entwicklungszusammenarbeit“ (FIDE) für den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie geäußert.

Unter Einbeziehung dieser Stellungnahme lassen sich für Arzt-Patientenkontakte folgende Empfehlungen geben[4]https://www.frauenrechte.de/images/downloads/fgm/fgm-aerzte-empfehlungen.pdf:

  • Einfühlsame Anamnese, eventuell mit Dolmetscherin (im Einzelgespräch
    und/oder mit der Familie). Es sollte den Frauen gegenüber der Terminus
    „Beschneidung“ verwendet werden.
  • Einfühlsame Befunderhebung und Untersuchung.
  • Infektionen indiziert behandeln.
  • Blut- und Urinabflussbehinderungen beheben.
  • Je nach Beschneidungsgrad die Fähigkeit zum Geschlechtsverkehr
    (Kohabitationsfähigkeit) herstellen durch Öffnung des Scheidenausgangs
    unter Anästhesie.
  • Bei schwangeren beschnittenen Frauen mit engem Scheidenausgang kann
    eine erweiternde Operation bereits während der Schwangerschaft medizinisch
    indiziert sein, insbesondere wenn Vaginal- und Blaseninfektion während der
    Schwangerschaft aufgetreten sind. Wegen einer möglichen Traumatisierung
    soll eine geeignete Anästhesieform gewählt werden, um Erinnerungen an die
    Beschneidung zu vermeiden.
  • Unter der Geburt soll durch Öffnung der Infibulation, durch kontrollierten
    Dammriss oder Episiotomie eine normale Geburt ermöglicht werden.

Ergänzend möchte ich hier noch eine Korrektur von SAIDA international e.V. hinsichtlich des Begriffes „Beschneidung“ anfügen, in der es heißt: „Aus der Erfahrung in der Beratungsarbeit mit hunderten betroffener Frauen und Mädchen kann ich Ihnen versichern, dass unsere Klientinnen den vom größten, weltweiten Betroffenennetzwerk etablierten Begriff Genitalverstümmelung als empowernd empfinden.“

Unterstützung für Betroffene können auch die Hebammen leisten. Ein großer Erfolg ist dahingehend die Studien- und Prüfungsverordnung für Hebammen, die zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Sie berücksichtigt erstmalig die besonderen Belange von Frauen, die von einer weiblichen Genitalverstümmelung betroffen sind.

 

 

Welche Angebote gibt es denn für Betroffene und deren Umfeld, um sich zu informieren?

 

Mittlerweile gibt es mehrere Angebote deutschlandweit, wie beispielsweise das Desert Flower Center in Berlin, die auf die medizinische und psychologische Betreuung der Opfer von Genitalverstümmelung spezialisiert sind.

Informationen rund um die Thematik bieten auch die verschiedenen Menschen- und Frauenrechtsorganisationen weltweit an.

Hier eine kleine Übersicht:

 

Hier findet ihr einen Informationsfilm zum Thema Genitalverstümmelung von Plan International: https://youtu.be/o1qJT8kgqTg.

Und auch das Erklärvideo von saida.de möchte ich euch ans Herz legen: https://www.youtube.com/watch?v=V61gk8gsFEE.

Quellenangaben

Quellenangaben
1 https://www.bmz.de/de/themen/frauenrechte-und-gender/gewalt-gegen-frauen-und-maedchen/fgm-weibliche-genitalverstuemmelung#:~:text=Schwere%20Menschenrechtsverletzung&text=Der%20Begriff%20der%20weiblichen%20Genitalverst%C3%BCmmelung,teilweise%20oder%20vollst%C3%A4ndig%20entfernt%20werden.
2 https://www.sos-kinderdoerfer.de/informieren/wie-wir-helfen/gesundheit/fgm-beschneidung-von-maedchen-und-frauen
3 https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/263832/6-februar-internationaler-tag-gegen-weibliche-genitalverstuemmelung/
4 https://www.frauenrechte.de/images/downloads/fgm/fgm-aerzte-empfehlungen.pdf
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