Kultursensible Pflege Was ist das und wie können wir sie umsetzen

Kultursensible Pflege: Was ist das und wie können wir sie umsetzen?

Kultursensibel - diesen Begriff hört und liest man derzeit immer wieder. Doch was heißt das eigentlich? Und was hat Kultursensibilität mit Pflege zu tun? Diesen Zusammenhängen möchten wir in diesem Blogbeitrag auf den Grund gehen.

In einer zunehmend vielfältigen Gesellschaft gewinnt das Konzept der kultursensiblen Pflege zunehmend an Bedeutung. Kultursensible Pflege bedeutet, die individuellen kulturellen Hintergründe, Werte, Überzeugungen und Praktiken der Pflegeempfänger zu respektieren und im Pflegeprozess zu berücksichtigen. Dabei geht es nicht nur um die ethische Verpflichtung, die Pflegekräfte gegenüber ihrem Berufsleitbild haben, sondern auch um die Sicherstellung einer effektiven und qualitativ hochwertigen Versorgung für alle. Durch die Anerkennung und Integration kultureller Vielfalt können wir die Gesundheitsversorgung verbessern und den individuellen Bedürfnissen der Patienten gerecht werden. Dabei ist es entscheidend, dass Pflegefachkräfte über eine besondere kulturelle Sensibilität verfügen und entsprechende Kompetenzen entwickeln und erlernen, damit Menschen aus anderen, ihnen vielleicht nicht so vertrauten Kulturkreisen, sich wahrgenommen, verstanden und sicher fühlen können.

 

Was genau ist denn kultursensible Pflege?

 

In Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten steigt der Anteil an Patient*innen und Bewohner*innen stetig an. Etwa 10% der Pflegebedürftigen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Viele haben ihre Wurzeln beispielsweise in der Türkei, der ehemaligen Sowjetunion oder Jugoslawien, Griechenland, Polen oder Italien. Dennoch hinkt die Pflege in diesem Bereich momentan noch hinterher: nur eine relativ geringe Zahl der Beratungsstellen und Pflegeeinrichtungen haben Erfahrung mit der Pflege von Menschen mit Migrationshintergrund. Dabei nimmt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen aus anderen Kulturkreisen zu. Das liegt vor allem daran, dass Angehörige der ersten Generation der sogenannten Gastarbeiter*innen, die in Deutschland eine dauerhafte Heimat gefunden haben, mittlerweile ein hohes Lebensalter erreicht haben. Deshalb sind auch immer mehr Menschen aus Einwandererfamilien auf ambulante Pflegeleistungen oder stationäre Pflegeeinrichtungen angewiesen. Schätzungen gehen davon aus, dass ihr Anteil an den Menschen, die eine pflegerische Versorgung in Anspruch nehmen, in den nächsten Jahren auf rund 12,5 Prozent steigen wird. Diese Personen wünschen sich eine Pflege, die auf ihre kulturelle Identität Rücksicht nimmt.[1]https://www.aok.de/pk/magazin/pflege/pflegeformen/was-bedeutet-kultursensible-pflege/

Kultursensibel zu pflegen meint, die religiösen und kulturellen Vorstellungen der Hilfebedürftigen in der Pflege zu berücksichtigen – mit dem Ziel, jedem Menschen eine Pflegeleistung nach seinen Bedürfnissen bieten zu können. Trotzdem kann sich die Kultursensibilität in der Pflege schwierig gestalten und Probleme mit sich bringen: Kultursensibel zu pflegen bedeutet nämlich auch, sich auf einen gegenseitigen Lernprozess einzulassen – das betrifft sowohl die Pflegefachkräfte als auch die Pflegebedürftigen.
Die erforderliche Anpassungsfähigkeit können die Umsetzung der Pflegebehandlungen kompliziert machen. Insbesondere, wenn die Patient*innen kein Deutsch sprechen oder die Pflegefachkraft nicht die Sprache der Patient*innen spricht, kann es zu Missverständnissen kommen. Darüber hinaus erfordert eine multikulturelle Pflege ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen – auch für Glaubens- und Wertvorstellungen, die man selbst nicht teilt. Es ist letztlich unerheblich, ob eine pflegebedürftige Person als Kind deutscher Eltern hierzulande aufgewachsen ist oder als Migrantin und Migrant ursprünglich aus einem anderen Kulturkreis stammt. Es geht um die Menschenwürde und den Respekt vor dem individuellen Menschen, unabhängig von seiner Herkunft, seiner Werte oder seines Glaubens.

 

Welche Möglichkeiten gibt es denn kultursensibel zu pflegen?

 

Kultursensibel zu pflegen heißt aber auch, zu verstehen und wahrzunehmen, dass das Altern und die Bedeutung und Wichtigkeit älterer Menschen in anderen Kulturkreisen ganz anders ausgeprägt ist, als in der deutschen Kultur. Im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung nehmen sehr viel weniger Migrant*innen bzw. deren Nachkommen professionelle Pflegeleistungen in Anspruch. Das liegt mittlerweile aber nicht mehr nur daran, dass Pflegebedürftige mit Migrationshintergrund innerhalb ihrer Familien versorgt werden. Es ist nachgewiesenermaßen so, dass auch in migrantischen Familien die Betreuung der Älteren zunehmend seltener vollständig von der Familie geleistet wird. An der Stelle zeigt sich ein Missverhältnis. Der Bedarf an Versorgung ist gegeben, wird aber nicht so häufig in Anspruch genommen. Woran liegt das? Die Antwort auf diese Frage, sind die nach wie vor vorhandenen gesellschaftlichen Barrieren, die für einige Menschen nur schwer zu überwinden sind: sprachliche Probleme, bürokratische Hürden oder die Sorge darum, dass kulturelle Bedürfnisse bei der Pflege nicht ausreichend berücksichtigt werden. Für eine allgemeine Teilhabe aller Menschen an angemessener pflegerischer Versorgung ist es wichtig, solche Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

 

Barrieren, die zu einer begrenzten Nutzung der Pflegemöglichkeiten führen, sind:

 

Ziel der kultursensiblen Pflege ist es, Migrant*innen einen gleichberechtigten Zugang zur Pflege zu ermöglichen. Sie zeigt die besonderen Bedürfnisse im Hinblick auf die Migrationsbiographie auf und bildet die Basis für optimale Betreuung bei allen Pflegeleistungen.

  1. Kultursensible Pflege geht auf die individuellen Bedürfnisse von Menschen mit Migrationshintergrund ein, statt sie zu behandeln wie alle anderen. Kultursensible Pflege bedeutet eine individuelle oder personenorientierte Pflegebeziehung aufzubauen und nicht Pflege nach Schema F auf Basis einer Mehrheitskultur durchzusetzen.
  2. Interkulturelle Pflege sieht den zu pflegenden Migranten nicht in erster Linie als Pflegebedürftigen, sondern als Individuum in seiner eigenen Lebenswelt.
  3. Kultursensible Pflege orientiert sich in der pflegerischen Beziehung jedes Mal von Neuem an der aktuellen Situation und der Bedürfnislage des Pflegebedürftigen.
  4. Pflege- und Betreuungskräfte bringen sich als Persönlichkeit in die tägliche Interaktion ein.
  5. Pflege- und Betreuungskräfte reflektieren und respektieren die Grenzen des Gegenübers und nehmen sie akzeptierend wahr.

 

Kulturelle und migrationsbedingte Dimensionen in der Pflegebeziehung sind bewusst, konsequent und kontinuierlich zu beachten. Damit schließt kultursensible Pflege an Konzepte der biografie- und familienorientierten Pflege an, begleitet und unterstützt sie.[2]https://www.ppm-online.org/stationaere-pflege/was-ist-kultursensible-altenpflege/

 

Wer ist eigentlich dafür verantwortlich, dass (Akut-)Pflegeeinrichtungen kultursensibel arbeiten können?

 

Die interkulturelle Öffnung des Pflegeangebots im Gesundheitswesen betrifft die ganze Organisation. Ausgehend vom Träger, über das Management bis hin zur Akzeptanz auf der Praxisebene. Diese Weiterentwicklung und Öffnung des Pflegeprozesses erfordert einen langfristigen Entwicklungsprozess und muss dauerhafter Bestandteil der Entwicklung der Organisation und der Qualitätssicherung sein. Das gilt für die stationäre Pflege genauso wie für ambulante Pflegedienste.

Die Umsetzung ist transparent zu gestalten und erfordert entsprechende Ressourcen. Das Pflegeteam benötigt Zeit, um sich kulturelle Kompetenzen anzueignen und Möglichkeiten, die bisherigen Erfahrungen zu reflektieren. Dies gelingt im Rahmen von Fort- und Weiterbildungen sowie in Form der Personal- und Teamentwicklung.

Dazu gehören unter anderem

  1. die Zusammenstellung eines interkulturellen Teams,
  2. das Erarbeiten einer gleichberechtigten Kommunikation, vor allem bei unterschiedlich ausgeprägten Deutschkenntnissen,
  3. Entwicklung von Regeln zur Verständigung und zum Umgang mit Konflikten, um bei verschiedenen Sicht- und Herangehensweisen einen konstruktiven Umgang zu ermöglichen,
  4. das Erlangen von interkultureller Kompetenz. Das Pflegeteam benötigt entsprechende Begleitung und Anstöße, um Kultursensibilität zu entwickeln.
  5. Diese wird erlangt durch:
    • interkulturelle Inhalte in der Ausbildung
    • regelmäßige Fort- und Weiterbildungen durch Kulturlotsen
    • interkulturelle Team- und Pflegebeziehungen im Pflegealltag.

 

Die Pflegedienstleitung steuert den kultursensiblen Pflegeprozess. Der Dialog mit Pflegebedürftigen und deren Angehörigen ist dabei die Hauptaufgabe der Pflegekräfte.[3]https://www.ppm-online.org/stationaere-pflege/was-ist-kultursensible-altenpflege/

 

Wie sehen denn gute Ansätze einer kultursensiblen Pflege aus?

 

In der Pflege geht es immer um das Individuum, um den zu pflegenden Menschen. Mit dem Fokus auf die transkulturelle Pflege steht dieser Aspekt noch einmal ganz besonders im Vordergrund. Auch hier ist eine umfassende Anamnese, mit Fokus auf Kultur und Religion und damit verbundenen Lebensumständen die Basis aller weiteren Maßnahmen und Planungen.

Die transkulturelle Pflegeanamnese ermöglicht die Sichtweisen, die individuelle Situation und die individuellen Bedürfnisse von Bewohner*innen und Patient*innen mit Migrationsgeschichte und deren An- und Zugehörigen und Bezugspersonen für die Pflege und Betreuung zu erheben. Dieses Instrument verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und integriert ein Biografie-zentriertes Vorgehen. Die resultierende Dokumentation bildet eine wichtige Grundlage, um den Menschen in seiner Individualität in den Mittelpunkt des Pflegeprozesses zu stellen. [4]https://stadt.muenchen.de/dam/jcr:ff75cb26-e4bd-4d90-9f9c-66e78ac46963/LHM_Soz_IKOe_Handreichung_5.pdf

 

Übersicht kultursensible Anamnese

 

 

Bei der stationären Versorgung von Migrantinnen und Migranten können unterschiedlichste Fragen auftauchen: Welche Maßnahmen gibt es, die eine kulturell vielfältige Patientenschaft ansprechen? Wie sind Verständigungsprobleme zu überwinden? Werden die medizinischen, therapeutischen und pflegerischen Möglichkeiten ausreichend erläutert und verstanden, so dass sie effizient genutzt werden können? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die Stationsteams bei sprachlichen und kulturellen Verständigungsproblemen zu entlasten?
Bereits an den Fragestellungen wird deutlich, dass die sprachliche und auch die kulturelle Verständigung eine zentrale Rolle bei der gesundheitlichen Versorgung spielen. Wenn Patientinnen und Patienten diagnostische oder therapeutische Fragen nicht vollständig verstehen können oder ihre Symptome nicht verständlich machen können, fehlt die Grundlage für eine erfolgreiche medizinische Behandlung. Patientinnen und Patienten auf der einen und Stationsteams auf der anderen Seite benötigen deshalb Hilfe bei der sprachlichen und kulturellen Verständigung.[5]https://www.bundesregierung.de/resource/blob/992814/729152/faf92058a4f377b8cb7c8ae889d677e5/das-kultursensible-krankenhaus-09-02-2015-download-ba-ib-data.pdf

 

Der kultursensible Ansatz auf der Ebene der Pflegebeziehung

 

Konkrete Maßnahmen für kultursensiblen Umgang in Pflegeeinrichtungen könnten folgendermaßen aussehen:

  • Kommunikation in der Muttersprache:
    Viele Pflegebedürftige sprechen wenig oder gar kein Deutsch. Durch die Kommunikation in der Muttersprache des oder der Gepflegten werden sowohl Abläufe im Alltag erleichtert als auch die Pflegebeziehung gestärkt. Schon ein paar Wörter in der bekannten Sprache schaffen Vertrauen zwischen Pflegepersonal und Patienten, wie der Einsatz von Plattdeutsch im Krankenhaus Wittmund, Ostfriesland zeigt.
  • Gleichgeschlechtliche Pflege:
    Auch die gleichgeschlechtliche Pflege gehört zur Kultur in der Pflege und ist für das Vertrauensverhältnis zwischen Pflegeperson und Patientin bzw. Patient unerlässlich – denn in einigen Kulturen, darunter der Islam, ist die Geschlechtertrennung beim Waschen oder bei der Rasur vorgegeben.
  • Respektvoller Umgang mit Religion und Kultur:
    Desinteresse oder sogar Diskriminierung sind bei der kultursensiblen Pflege fehl am Platz. Wer kultursensibel pflegen möchte, sollte die Wertvorstellungen und den Glauben des oder der Gepflegten mit Respekt behandeln.
  • Ausstattung:
    Zusätzliche Räume wie Gebets- oder Waschräume sollten vorhanden sein, damit die Pflegebedürftigen ihre Religion bzw. Kultur ausüben können.
  • Interkulturelle Weiterbildung:
    Sich in der jeweiligen Kultur und/oder Glaubensrichtung der Gepflegten weiterzubilden und über die Werte, Normen und Glaubensansätze zu informieren, ist Teil der multikulturellen Pflege.
  • Hilfe bei der Bürokratie:
    Die deutsche Bürokratie kann insbesondere für Nicht-Muttersprachler*innen eine Herausforderung sein. Die Unterstützung bei bürokratischen Anträgen kann ebenfalls zur transkulturellen bzw. multikulturellen Pflegeausübung gehören.[6]https://www.medelahealthcare.com/de-DE/magazin/arbeiten-pflege/kultursensible-pflege#:~:text=Kultursensibel%20zu%20pflegen%2C%20meint%20also,seinen%20Bed%C3%BCrfnissen%20bieten%20zu%20k%C3%B6nnen.

 

Wie definiert ihr kultursensible Pflege? Wie wird das bei euch auf Arbeit gehandhabt? Lasst uns in den Kommentaren Erfahrungen austauschen.

Quellenangaben

Quellenangaben
1 https://www.aok.de/pk/magazin/pflege/pflegeformen/was-bedeutet-kultursensible-pflege/
2, 3 https://www.ppm-online.org/stationaere-pflege/was-ist-kultursensible-altenpflege/
4 https://stadt.muenchen.de/dam/jcr:ff75cb26-e4bd-4d90-9f9c-66e78ac46963/LHM_Soz_IKOe_Handreichung_5.pdf
5 https://www.bundesregierung.de/resource/blob/992814/729152/faf92058a4f377b8cb7c8ae889d677e5/das-kultursensible-krankenhaus-09-02-2015-download-ba-ib-data.pdf
6 https://www.medelahealthcare.com/de-DE/magazin/arbeiten-pflege/kultursensible-pflege#:~:text=Kultursensibel%20zu%20pflegen%2C%20meint%20also,seinen%20Bed%C3%BCrfnissen%20bieten%20zu%20k%C3%B6nnen.
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